IFHandwerk e.V.

Kleine Selbstständige dürfen nicht schlechter gestellt werden als Angestellte!

Mein Gesprächpartner ist Andreas Lutz (46), Vorsitzender des VGSD e.V. (www.vgsd.de) und Partner des „Rentenrebells“ Tim Wessels, der mit einer Onlinepetition gegen von der Leyens Rentenpläne für Selbstständige Front macht. Denn dadurch würden Existenzgründungen in Zukunft richtig teuer werden. Andreas Lutz betreibt das Internet-Portal gruendungszuschuss.de und ist Autor zahlreicher Bücher für Selbstständige.

HANDWERKSBERATER: Wie heißt Ihr Verband und was ist sein Ziel?

ANDREAS LUTZ: Verband der Gründer und Selbständigen Deutschland e.V. (VGSD). Es gibt bisher keinen Verband, der die Interessen von Selbständigen und kleinen Unternehmen mit bis zu neun Mitarbeitern effektiv vertritt. Die meisten Verbände zielen auf die Großen oder sind auf Branchen spezialisiert. Das wurde uns schmerzhaft bewusst, als wir uns letztes Jahr gegen die Kürzungen beim Gründerzuschuss engagiert haben. Sogar der DIHK, die Dachorganisation der Industrie- und Handelskammern, hat die Kürzungen begrüßt, obwohl der überwiegende Teil der IHK-Mitglieder solche kleinen Unternehmen sind (über 90% der Mitglieder)! Die Handwerkskammern waren traditionell gegen die Förderung der Ich-AG und den damit verbundenen zusätzlichen Wettbewerb.

 

Als bekannt wurde, dass Arbeitsministerin von der Leyen die Selbstständigen mit einem Zwangsbeitrag von mindestens 250 Euro pro Person und Monat belasten möchte, stand endgültig die Entscheidung fest, einen solchen Verband zu gründen.

 

HANDWERKSBERATER: Welche Rolle spielte die Pedition gegen die Zwangsversicherung für alle Selbstständigen?

ANDREAS LUTZ: Die Petition von Tim Wessels spielte eine große Rolle. Ich habe sie mit meinem Gründungszuschuss-Newsletter unterstützt. Innerhalb von zwei Wochen haben 80.000 Selbstständige die Petition unterschrieben. Die Ministerin reagierte darauf mit einer zehnminütigen Videobotschaft auf der Website des Ministeriums und erklärte dort ihre Dialogbereitschaft. Ich machte Tim darauf aufmerksam und zwei Tage später wurde er ins Ministerium zum Gespräch eingeladen. Er fragte mich, ob ich ihn begleiten würde.

 

Das war mein erstes Gespräch mit einer Ministerin. Darauf folgte ein zweites und das dritte ist Ende September geplant.

 

HANDWERKSBERATER: Wie war das?

ANDREAS LUTZ: Menschen auf dieser Ebene sind immer sehr nett.

 

HANDWERKSBERATER: Und was hilft uns das?

ANDREAS LUTZ: Sie können einem auch mit freundlichen Worten sagen, dass sie anderer Meinung sind. In diesem Fall hat Frau von der Leyen gleich von Anfang an deutlich gemacht, dass sie mit uns gerne über das WIE, nicht aber das OB der neuen Abgaben sprechen möchte.

 

HANDWERKSBERATER: Das war ja knallhart. Wie gingen Sie damit um?

ANDREAS LUTZ: Wir haben Fragen gestellt und gut überlegte Forderungen erhoben, andererseits aber auch unsere ganz grundsätzlichen Bedenken immer wieder deutlich gemacht. Ja, ich hatte den Eindruck, dass sie uns wirklich zuhört und ich bin mit der Überzeugung rausgegangen, dass es enorm wichtig ist, dass kleine Unternehmen und Selbstständige mit am Tisch sitzen. Oft kennen Politiker die Auswirkungen ihrer Entscheidungen auf uns nicht im Detail. Wenn man schildert und vorrechnet, was auf dem Bankkonto danach übrig bleibt, dann ist auch ihnen klar, dass man die Grundrechenarten nicht außer Kraft setzen kann.

 

HANDWERKSBERATER: Haben Sie was erreicht?

ANDREAS LUTZ: Das ist schwierig zu sagen. Das wissen wir erst, wenn der Gesetzentwurf vorliegt. Wir sind sicher noch nicht am Ende des Prozesses. Die Ministerin hat uns um Informationen gebeten und ich arbeite an einer Modellrechnung, die die Verhältnisse von Selbstständigen und Arbeitnehmern vergleichbar macht. Sie zeigt, dass es tatsächlich eine Gerechtigkeitslücke gibt – allerdings zu Lasten der Selbstständigen. Und die Ministerin hat gesagt, dass Selbstständige nicht schlechter gestellt werden sollen als Arbeitnehmer!

 

HANDWERKSBERATER: Da müsste die Ministerin ja überrascht gewesen sein!

ANDREAS LUTZ: Sie will mehr wissen. Im Einkommensbereich unterhalb 2.000 Euro pro Monat ist für Selbstständige kein Spielraum für neue Abgaben. Denn hier bezahlen Selbstständige schon jetzt mehr als Arbeitnehmer. Die Gefahr ist, dass eine enorme Bürokratie entsteht, die mehr kostet als momentan für die Grundsicherung im Alter überhaupt ausgegeben wird. Die jetzige Hartz IV-Alterssicherung ist vermutlich für den Staat günstiger als die neue Gerechtigkeitsbürokratie, die aufgebaut werden müsste. Diese bringt zudem neue Beschränkungen für Selbstständige, zwingt sie in teure Versicherungsverträge und anderes mehr. Mit den neuen Beiträgen werden noch mehr Existenzgründungen verhindert. Zwischen 400 Euro und 2000 Euro entsteht eine Todeszone für Selbstständige. Entweder prekär selbstständig oder richtig erfolgreich, aber es gibt nichts mehr dazwischen. Besonders Frauen werden im 400-Euro-Gefängnis bleiben oder ihre Kinder komplett weggeben müssen. Das ist eine gruselige Vorstellung. Das kann die Ministerin nicht wollen.

 

HANDWERKSBERATER: Wie hilft man kleinen Leuten, wenn staatliche Abgaben oder bürokratische Hürden sie zu erdrücken drohen?

ANDREAS LUTZ: Aus genau dem Grund haben wir den Verband gegründet. Wir wollen durch Musterrechnungen und Beispiele den Entscheidern zeigen, was ihre Beschlüsse bewirken. Selbstständige sind zu beschäftigt, um sich selbst in der Politik zu engagieren. Deshalb ist ihre Sicht der Dinge oft nicht bekannt. Wir wollen uns mit an den Tisch setzen. Das alleine wird vieles verändern. Wir wollen mit dem Verband auch Menschen, die nur wenig Zeit haben, eine Möglichkeit bieten, etwas zu bewegen. Sie können mit unterschreiben (z.B. Briefe oder Petitionen) oder die unterstützen, die sich einsetzen. Wir können berechtigte Anliegen bekannt machen, zum Beispiel über den gruendungszuschuss.de-Newsletter mit seinen 91.000 Lesern oder unserem Presseverteiler, mit dem wir weit über tausend spezialisierte Journalisten erreichen. Auf unserer Website kann jeder Nutzer eigene Anliegen vorschlagen und mitbestimmen, an welchen Themen wir im Verband mit höchster Priorität arbeiten sollten.

 

 

HANDWERKSBERATER-Tipp:

Sie können mitbestimmen: Wenn Sie Ihren Anliegen Gewicht verleihen wollen, folgen Sie folgendem Link:

http://vgsd.uservoice.com/forums/172849-die-wichtigsten-anliegen-des-vgsd