IFHandwerk e.V.

Gesetzesänderung: Was tun, wenn Sie Ihren Beitrag zur Krankenkasse oder Krankenversicherung nicht mehr bezahlen können?

100.000 Menschen in Deutschland haben Schulden bei ihrer Krankenversicherung der -kasse. Selbstständige mit schwankenden Einkünften sind besonders gefährdet. Es handelt sich bei den säumigen Zahlern zumeist um kleine Selbstständige, vor allem Handwerker und Künstler.

Sind Sie privat (PKV) oder gesetzlich (GKV) versichert? Wenn Sie mit Beginn Ihrer Selbstständigkeit nicht in die PKV gewechselt sind , dann haben Sie vermutlich so viel für Ihre Altersvorsorge getan wie mit einem Sparvertrag fürs Alter. Denn die PKV wird für viele Selbstständige nicht selten der Einstieg in die Schuldenfalle. Die Beträge steigen ohne Begrenzung im Alter und wenn sie zu wenig Umsatz machen, können Sie Ihre Beiträge nicht mehr zahlen. Das kann Ihre Insolvenz auslösen. Denn mit wenig Einkommen zahlen Sie – anders als bei der GKV – keinen einkommensgerechten Beitrag. Damit droht die Schuldenfalle: Beitragsrückstand – hohe Zinsen – Zahlungsunfähigkeit.

Die Bundesregierung kennt dieses Problem der Überschuldung und will es mildern. Für Betroffene PKV-Versicherte soll deshalb ein neuer Notlagentarif mit abgespeckten Leistungen geschaffen werden. Gesundheitsminister Bahr will die Zinsen für Beitragsschuldner senken. Von von bislang 60 Prozent pro Jahr auf zwölf Prozent (oder 5 auf 1 Prozent pro Monat). Immer noch zu viel, meint die Opposition. Denn der Schuldenberg wird so nur langsamer groß. An der Überschuldung selbst ändert das nichts.

Der Verband der privaten Krankenversicherungen findet, dass das das Problem löst. Die Grünen meinen, dass damit nur die Altersrückstellungen der privat Versicherten belastet werden. Wenn das stimmt, werden die PKV Versicherten noch höhere Beitragssteigerungen im Alter haben. Und eins ist dann klar: Kündigen können Sie dann nicht mehr. Dafür ist es dann zu spät. Das Problem wird somit in die Zukunft verschoben. Gelöst wird es damit für viele Betroffene nicht.

Kleine Selbstständige dürfen nicht schlechter gestellt werden als Angestellte!

Mein Gesprächpartner ist Andreas Lutz (46), Vorsitzender des VGSD e.V. (www.vgsd.de) und Partner des „Rentenrebells“ Tim Wessels, der mit einer Onlinepetition gegen von der Leyens Rentenpläne für Selbstständige Front macht. Denn dadurch würden Existenzgründungen in Zukunft richtig teuer werden. Andreas Lutz betreibt das Internet-Portal gruendungszuschuss.de und ist Autor zahlreicher Bücher für Selbstständige.

HANDWERKSBERATER: Wie heißt Ihr Verband und was ist sein Ziel?

ANDREAS LUTZ: Verband der Gründer und Selbständigen Deutschland e.V. (VGSD). Es gibt bisher keinen Verband, der die Interessen von Selbständigen und kleinen Unternehmen mit bis zu neun Mitarbeitern effektiv vertritt. Die meisten Verbände zielen auf die Großen oder sind auf Branchen spezialisiert. Das wurde uns schmerzhaft bewusst, als wir uns letztes Jahr gegen die Kürzungen beim Gründerzuschuss engagiert haben. Sogar der DIHK, die Dachorganisation der Industrie- und Handelskammern, hat die Kürzungen begrüßt, obwohl der überwiegende Teil der IHK-Mitglieder solche kleinen Unternehmen sind (über 90% der Mitglieder)! Die Handwerkskammern waren traditionell gegen die Förderung der Ich-AG und den damit verbundenen zusätzlichen Wettbewerb.

 

Als bekannt wurde, dass Arbeitsministerin von der Leyen die Selbstständigen mit einem Zwangsbeitrag von mindestens 250 Euro pro Person und Monat belasten möchte, stand endgültig die Entscheidung fest, einen solchen Verband zu gründen.

 

HANDWERKSBERATER: Welche Rolle spielte die Pedition gegen die Zwangsversicherung für alle Selbstständigen?

ANDREAS LUTZ: Die Petition von Tim Wessels spielte eine große Rolle. Ich habe sie mit meinem Gründungszuschuss-Newsletter unterstützt. Innerhalb von zwei Wochen haben 80.000 Selbstständige die Petition unterschrieben. Die Ministerin reagierte darauf mit einer zehnminütigen Videobotschaft auf der Website des Ministeriums und erklärte dort ihre Dialogbereitschaft. Ich machte Tim darauf aufmerksam und zwei Tage später wurde er ins Ministerium zum Gespräch eingeladen. Er fragte mich, ob ich ihn begleiten würde.

 

Das war mein erstes Gespräch mit einer Ministerin. Darauf folgte ein zweites und das dritte ist Ende September geplant.

 

HANDWERKSBERATER: Wie war das?

ANDREAS LUTZ: Menschen auf dieser Ebene sind immer sehr nett.

 

HANDWERKSBERATER: Und was hilft uns das?

ANDREAS LUTZ: Sie können einem auch mit freundlichen Worten sagen, dass sie anderer Meinung sind. In diesem Fall hat Frau von der Leyen gleich von Anfang an deutlich gemacht, dass sie mit uns gerne über das WIE, nicht aber das OB der neuen Abgaben sprechen möchte.

 

HANDWERKSBERATER: Das war ja knallhart. Wie gingen Sie damit um?

ANDREAS LUTZ: Wir haben Fragen gestellt und gut überlegte Forderungen erhoben, andererseits aber auch unsere ganz grundsätzlichen Bedenken immer wieder deutlich gemacht. Ja, ich hatte den Eindruck, dass sie uns wirklich zuhört und ich bin mit der Überzeugung rausgegangen, dass es enorm wichtig ist, dass kleine Unternehmen und Selbstständige mit am Tisch sitzen. Oft kennen Politiker die Auswirkungen ihrer Entscheidungen auf uns nicht im Detail. Wenn man schildert und vorrechnet, was auf dem Bankkonto danach übrig bleibt, dann ist auch ihnen klar, dass man die Grundrechenarten nicht außer Kraft setzen kann.

 

HANDWERKSBERATER: Haben Sie was erreicht?

ANDREAS LUTZ: Das ist schwierig zu sagen. Das wissen wir erst, wenn der Gesetzentwurf vorliegt. Wir sind sicher noch nicht am Ende des Prozesses. Die Ministerin hat uns um Informationen gebeten und ich arbeite an einer Modellrechnung, die die Verhältnisse von Selbstständigen und Arbeitnehmern vergleichbar macht. Sie zeigt, dass es tatsächlich eine Gerechtigkeitslücke gibt – allerdings zu Lasten der Selbstständigen. Und die Ministerin hat gesagt, dass Selbstständige nicht schlechter gestellt werden sollen als Arbeitnehmer!

 

HANDWERKSBERATER: Da müsste die Ministerin ja überrascht gewesen sein!

ANDREAS LUTZ: Sie will mehr wissen. Im Einkommensbereich unterhalb 2.000 Euro pro Monat ist für Selbstständige kein Spielraum für neue Abgaben. Denn hier bezahlen Selbstständige schon jetzt mehr als Arbeitnehmer. Die Gefahr ist, dass eine enorme Bürokratie entsteht, die mehr kostet als momentan für die Grundsicherung im Alter überhaupt ausgegeben wird. Die jetzige Hartz IV-Alterssicherung ist vermutlich für den Staat günstiger als die neue Gerechtigkeitsbürokratie, die aufgebaut werden müsste. Diese bringt zudem neue Beschränkungen für Selbstständige, zwingt sie in teure Versicherungsverträge und anderes mehr. Mit den neuen Beiträgen werden noch mehr Existenzgründungen verhindert. Zwischen 400 Euro und 2000 Euro entsteht eine Todeszone für Selbstständige. Entweder prekär selbstständig oder richtig erfolgreich, aber es gibt nichts mehr dazwischen. Besonders Frauen werden im 400-Euro-Gefängnis bleiben oder ihre Kinder komplett weggeben müssen. Das ist eine gruselige Vorstellung. Das kann die Ministerin nicht wollen.

 

HANDWERKSBERATER: Wie hilft man kleinen Leuten, wenn staatliche Abgaben oder bürokratische Hürden sie zu erdrücken drohen?

ANDREAS LUTZ: Aus genau dem Grund haben wir den Verband gegründet. Wir wollen durch Musterrechnungen und Beispiele den Entscheidern zeigen, was ihre Beschlüsse bewirken. Selbstständige sind zu beschäftigt, um sich selbst in der Politik zu engagieren. Deshalb ist ihre Sicht der Dinge oft nicht bekannt. Wir wollen uns mit an den Tisch setzen. Das alleine wird vieles verändern. Wir wollen mit dem Verband auch Menschen, die nur wenig Zeit haben, eine Möglichkeit bieten, etwas zu bewegen. Sie können mit unterschreiben (z.B. Briefe oder Petitionen) oder die unterstützen, die sich einsetzen. Wir können berechtigte Anliegen bekannt machen, zum Beispiel über den gruendungszuschuss.de-Newsletter mit seinen 91.000 Lesern oder unserem Presseverteiler, mit dem wir weit über tausend spezialisierte Journalisten erreichen. Auf unserer Website kann jeder Nutzer eigene Anliegen vorschlagen und mitbestimmen, an welchen Themen wir im Verband mit höchster Priorität arbeiten sollten.

 

 

HANDWERKSBERATER-Tipp:

Sie können mitbestimmen: Wenn Sie Ihren Anliegen Gewicht verleihen wollen, folgen Sie folgendem Link:

http://vgsd.uservoice.com/forums/172849-die-wichtigsten-anliegen-des-vgsd

 

 

 

Erdrutsch bei Handwerkskammern: Nur noch 30% der Mitgliedsbetriebe in der Anlage A von Meistern als Inhaber geprägt

Diese Zahlen sind eine kleine Revolution: Nur noch rund 30 Prozent aller in den Handwerkskammern organisierten Handwerksbetriebe (Anlage A) sind von Handwerksmeistern inhabergeführte Betriebe. Zu diesem Ergebnis kommt der Interessenverband Freier Handwerker (IFHandwerk) auf der Basis einer Analyse der Betriebsstatistiken anlässlich seines 10jährigen Verbands-Jubliäums, deren Ergebnisse im Nachrichtenmagazin DER SPIEGEL (Nr. 13/2012: „Die Tunix-Regierung“) vorab veröffentlicht wurden. Die Handwerksszene ist bunt und vielfältig, der klassische inhabergeführte Meisterbetrieb ist längst in der Minderheit, urteilt IFHandwerk-Geschäftsführer Michael Wörle. Die „Meisterdichte“ als Kennziffer ist auf dem historischen Tiefststand, sie ist so niedrig wie nie zuvor in der Geschichte des Handwerks. „Statt Zwangsvorschriften sind Markt und Wettbewerb in das Handwerk eingezogen: Der Verbraucher hat wirklich die Wahl,“ so Wörle. „Gut für den Verbraucher und die Branche.“

Im Detail: Nach Statistiken der Handwerkskammern gehören heute 60 Prozent der Mitgliedsfirmen zu den klassischen, von einem in die Handwerksrolle eingetragenen Meister geführten Beitriebe (Anlage A der Handwerksrolle). 40 Prozent sind zulassungsfreie und handwerksähnliche Betriebe (Anlagen B1 und B2). Vor 30 Jahren lag deren Anteil noch bei knapp 10 Prozent. Die Zulassungsfreien haben sich somit vervierfacht. Jedoch muss man von den 60 Prozent noch die 17 Prozent der Betriebe abziehen, die durch eine Ausnahme- oder Altgesellenregelung nicht von einem Meister geführt werden. Hinzu kommt eine geschätzt ebenso hohe Dunkelziffer von Firmen, bei denen nur pro forma ein Meister angestellt ist, so Wörle. Übrig bleiben dann kaum noch 30 Prozent der Kammermitglieder.

Fazit: Die Unternehmen, die dem Meisterzwang entwichen sind, sind längst in der Mehrheit und sorgen dafür, dass sich die Kammern ändern müssen. Aber haben die Kammern das selbst schon gemerkt?

Der Verband sieht den Gründungsboom und die neue Vielfalt im Handwerk als das Ergebnis der 2004 umgesetzten Liberalisierung. Seitdem gehören nur noch 53 der ursprünglich 94 Gewerke zu den zulassungspflichtigen (Meisterzwang). Wir schließen uns der im Nachrichtenmagazin DER SPIEGEL veröffentlichten Prognose an: Würde die Handwerksordnung komplett reformiert, würde sich die Zahl der Firmen hierzulande weiter drastisch erhöhen, so Wörle. Die Gesetzesnovelle hat dieses gezeigt, wohin der Trend geht.

Von der Leyen: Handwerkerpflichtversicherung soll fallen!

Sie wollten in die Handwerksrolle, ohne Meisterbrief versteht sich. Konsequenz: neben den Beiträgen an die Handwerkskammer zahlen Sie nun plötzlich jeden Monat zusätzlich auch 400-500€ Pflichtbeitrag an die Rentenkasse. Das soll sich nun ändern: die Handwerkerpflichtversicherung soll abgeschafft werden. Kommt damit auch mehr Gerechtigkeit?

Das sieht das derzeitige Rentenpaket der Bundessozialministerin Ursula von der Leyen vor. Damit würde ein wichtiges Ziel des IFHandwerk e.V. erfüllt werden. Denn die freie Handwerksausübung ist nicht vereinbar mit der Handwerkerpflichtversicherung. Hierunter leiden vor allem die, die nach der Handwerksordnung eintragungspflichtig sind und keine GmbH führen. Ihnen wird die freie Wahl ihres Rentenversicherungsanbieters verweigert wird.

Eine Ungleichbehandlung wird abgeschafft werden, wenn das Rentenpaket durchkommt. Allerdings hat das Ding einen „Pferdefuß“:

Denn zugleich bringt die geplante grundsätzliche Wahlfreiheit wohl auch den Nachweis einer ausreichenden Absicherung für alle Selbstständigen (bis zum 50. Lebensjahr) mit sich. Das bringt Bürokratie und nach einer Schonfrist höhere Kosten für viele Selbstständige mit sich. Gründen wird somit auf den 1. Blick teurer. Ob sich damit die Altersarmut als gesellschaftliches Problem beseitigen lässt? Ob die Ungleichbehandlung von angestellten Geringverdienern, deren Rente bis 850€ bezuschusst werden soll, und selbstständigen Geringverdienern (vermutlich ohne Zuschuss) vermieden wird? Wir leben noch immer in einer Arbeitnehmergesellschaft. Selbstständige gelten tendentiell immer als reich. Wir werden sehen. Zur Zeit wird debattiert, dann wird irgendeine Entscheidung getroffen. Eines ist aber jetzt schon klar: Das ist eine epochemachende Entscheidung. Wir wissen nur noch nicht, wer sich mehr darüber freuen wird. Handwerker ohne Meisterbrief oder eingetragene Handwerksmeister.

Schwarzarbeit sinkt auf historischen Tiefststand

Die Konjunktur brummt und deshalb hat die Schwarzarbeit einen historischen Tiefststand erreicht. Schwarzarbeit ist so gering wie seit 18 Jahren nicht mehr. 13,4% der gesamten Wirtschaftsleistung entfallen in Deutschland auf den Schwarzarbeitssektor, in der Schweiz sind es 8%, in Griechenland 20%, so Prof. Schneider von der Universität Linz. Traditionell sind die Abgabenbelastung und Bürokratie Faktoren, die Schwarzarbeit fördern. Im Handwerk ist es vor allem der Marktzutritt, der durch Handwerkskammern und Behörden erschwert wird. Entscheidend ist auch, dass Behörden seit Jahren nicht sagen können, was erlaubt und was verboten ist. „Das Bundesministerium für Wirtschaft müsste die Bundesländer stärker an die Leine nehmen“, sagt IFHandwerk-Geschäftsführer Michael Wörle. „Hier wird seit Jahren ein unwürdiges Versteckspiel gespielt und die Verantwortung hin und hergeschoben“, kritisiert Wörle. Der IFHandwerk setzt sich dafür ein, dass Handwerker ohne Meisterbrief mehr Rechtsklarheit bekommen. Die Befreiung zahlreicher Handwerksberufe wie z.B. der Fliesenleger vom Meisterzwang war ein wichtiger Schritt in die Richtung Entbürokratisierung. „Wir begrüßen alles, was Selbstständigen das Leben leichter macht“, sagt der IFHandwerk-Geschäftsführer. „Hier ist jedoch noch viel zu tun.“

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