IFHandwerk e.V.

Schutz oder Einschränkung? Der Virus hat uns fest im Griff

Nicht jeder Handwerksbetrieb ist betroffen: Manche spekulieren nun darauf, dass sie umso leichter Fachkräfte bekommen. Solange die Bewegungsfreiheit nicht eingeschränkt ist, können die Geschäfte ungehindert laufen. Aber nach Reisebann kann Ausgangssperre kommen. Dann wird es eng. Für manche ist das aber jetzt schon so, dass schlagartig der Umsatz eingebrochen ist. Messebauer beispielsweise.

Die Bundesregierung hat zugesagt, niemanden hängen zu lassen. Was heißt das praktisch? Wir wollten es genau wissen. Zusammen mit dem BAGSV (dem Bundesverband der Solo-Selbstständigen) haben wir die Lage sondiert. Hier die wichtigsten Ergebnisse vorab, von uns bewertet. Maßnahmen:

  • Kurzarbeit: Soll unbürokratisch über die Arbeitsagentur möglich sein. Nachteil: Mitarbeiter müssen einwilligen; sie verlieren ca 40% ihres Gehaltes. Aber: Kündigungen können vermieden werden, was heute wichtig ist, wenn die Krise nicht so lange dauert (was keiner weiß). Schwierig bis unmöglich ist das für Minijobs und Auszubildende, so die vorläufigen Informationen.
  • Soforthilfen wie Grundsicherung (Hartz IV). Ansprechpartner Arbeitsagentur. Soll ohne Vermögensprüfung und Einkommensprüfung möglich sein befristet. Aber nach Informationen von spiegel.de kann eine Rückforderung zeitversetzt erfolgen oder die Zuwendung in ein Darlehen umgewandet werden. Deshalb fordern viele ein bedingungsloses Grundeinkommen. Dieses könnte befristet z.B. für 6 Monate als sinnvolles Experiment realisiert werden. Offen ist: Über die Finanzämter oder über die Arbeitsagentur? Letztere scheint handlungsfähiger, weil zentral, während die Finanzämter dezentral agieren.
  • Darlehen und stille Beteiligungen über Bürgschaftsbanken (Bundesländer) und Kreditanstalt für Wideraufbau. Nachteil: Meistens muss der Weg über die Hausbank erfolgen. Diese muss prüfen, verlangt Eigenkapitalnachweis (20%) und positive Fortführungsprognose. Beides könnte in der Krise jetzt schwierig werden. Deshalb fordern Selbstständigenverbände einen Nothilfefonds.
  • Krankenversicherungszahlungen: Es soll Krankenkassen geben, die sich darauf einlassen, die Krankenversicherungsbeiträge für Selbstständige sofort auszusetzen. Das wäre ein wichtiger Beitrag zur Schonung der Liquidität. Über eine Einkommensbeurteilung wird am Jahresende ohnehin geprüft, wie hoch der Beitrag sein muss. Diese Maßnahme tut der Krankenkasse nicht weh, ist aber eine gute Sofortmaßnahme für Solo-Selbstständige.
  • Finanzamt: Einkommensteuervorauszahlungen stoppen. Die Krise verändert die Lage.

Forderungen  an die Politik

Ein Forderungspapier wird derzeit erarbeitet. Darin werden folgende Forderungen stehen:

  • Nothilfefonds. Diskutiert wird ein 50-Mrd.-Fonds für Selbstständige. Das könnten pro Kopf mehr als 20.000€ Soforthilfe sein. Damit könnten die wichtigsten Fixkosten gesichert werden.
  • Keine Zahlungen mehr ans Finanzamt und Sozialversicherungsträger. Sofortige Aussetzung fälliger Zahlungen, evtl. sogar Finanzhilfen als Gutschrift wie vorgezogene Verlust-Erstattungen.
  • Insolvenzrecht: Banken müssen daran gehindert werden, bei Kreditanträgen Insolvenzanträge zu stellen, weil sie den Betrieb für zahlungsunfähig halten. Insolvenzverwalter müssen gehindert werden, schon gezahlte Vergütungen zurück zu fordern.
  • Grundeinkommen, bedingungslos und unbürokratisch.
  • Bürokratiearmes Jahr: Fristenmoratorium für alle Verwaltungsakte, die ablaufen, weil durch die Krise Behördengänge unmöglich sind und vielleicht auch nur solche kleinen Schwierigkeiten, wie einen Antrag zu unterschreiben, im Homeoffice ohne Drucker einfach nicht gelingen will.

„Sie geben vor, uns zu schützen. Aber in Wahrheit sperren Sie uns ein“. Andreas Lutz (VGSD e.V.) im Expertengespräch mit Michael Wörle (IFHandwerk e.V.)

Der Frontalangriff von ZDH und DGB gegen Soloselbstständige wird heiß diskutiert. Im Expertengespräch analysieren Andreas Lutz vom Verband der Soloselbständigen VGSD e.V. und Michael Wörle von den freien Handwerkern (IFHandwerk e.V.) das Diskussionspapier der beiden mächtigen Spitzenverbände, die zahlreiche neue Einschränkungen für Selbstständige vorsehen. Von mehr Kontrollen bis hin zu höheren Beiträgen.

https://www.vgsd.de/kommentar-per-video-unheilige-allianz-dgb-und-zdh-greifen-gemeinsam-solo-selbststaendige-an/

Kann man den Vorschlägen trauen? Auf keinen Fall. Was sich fürsorglich anhört, ist eiskalte Machtpolitik mit dem Ziel, Selbstständigen die Arbeit immer weiter zu erschweren und sie zu Arbeitnehmern zu machen. Beide Verbandsvertreter waren sich einig: Hier wird ein Katalog wohlklingender Schutzmaßnahmen vorgeschlagen, der nur für Unkundige Kenntnis fürsorglich klingt, in Wahrheit aber mehr Kontrolle meint.

Eine Sprachanalyse des VGSD enthüllt dass es hier um den „Wolf im Schafspelz“ geht. Wer die Fabel vom Wolf kennt, der vorgibt, Vegetarier zu sein und sich unter die Herde mischt, kann sich vorstellen, was gemeint ist. Jeden Abend fehlt ein Schaf, doch der Wolf beteuert, nichts damit zu tun zu haben. Es dauert manchmal, zu erkennen, was wirklich gespielt wird. Hier finden Sie den Link zur Sprachanalyse:

https://www.vgsd.de/textanalyse-so-kriminalisieren-zdh-und-dgb-uns-solo-selbststaendige/

Auch Nichtjurist merken bei gründlicher Lektüre schnell, worum es eigentlich geht: nämlich klar zu machen, dass Solo-Selbstständige ein gefährlicher Haufen sein müssen:

  • 6x werden Begriffe wie „Wettbewerbsverzerrung“ und „gezielter Unterbietungswettbewerb“ verwendet,
  • 6x „scheinselbstständig“,
  • 5x „Schwarzarbeit“,
  • 3x „illegale Beschäftigung“ und
  • 2x „Missbrauch“.

Desweiteren ist im Dokument die Rede von „Subunternehmerstrukturen“, „Verdachtsfällen“, „bedenklicher Nutzung“, „Quersubventionierung“ und „Fehlanreizen“.

Was folgt daraus? Kontrolle, Einschränkung, Zugangsbeschränkungen und vieles mehr. Glauben Sie nicht, dass es hier nur um Handwerker geht. Das wäre ein fataler Irrtum. Im internationalen Vergleich ist nämlich die Quote der Selbstständigen viel geringer als in anderen Ländern. In Deutschland lag die Quote nach Informationen der OECD (2008) bei 11,7%, in Italien beispielsweise bei über 25%, in der Türkei bei 39%. Im EU und OECD-Durchschnitt sind es ca 16%. Eine Gefahr kann man also hier nicht wirklich konstatieren. Es sei denn, es geht in Wirklichkeit um etwas ganz anderes. Die Zahlen der OECD finden Sie hier: https://www.oecd-ilibrary.org/docserver/9789264087552-48-de.pdf?expires=1582836126&id=id&accname=guest&checksum=880D9FAC987A9F212A78281491362C75

Nächster Angriff auf Selbstständige: ZDH und Gewerkschaften reden Soloselbstständige schlecht

Nachdem der Zentralverband des Handwerks zusammen mit den Gewerkschaften und der CDU 12 Gewerke vom Fliesenleger bis zum Harmoniumbauer wieder zwangsvermeistert haben, kommt nun der nächste Coup: DGB und ZDH blasen zum Frontalangriff auf Solo-Selbstständige. Sie beschreiben kleine Solo-Selbstständige als Wettbewerbsverzerrung und stellen sogar kürzlich erkämpfte Reformen wie die Absenkung der Mindest-Krankenversicherungsbeiträge schon wieder in Frage – obwohl diese ein klein bißchen mehr Gerechtigkeit bedeuten und eine bessere Gleichstellung zwischen Selbstständigen und Arbeitnehmern. Die Reform der Krankenversicherungsbeiträgge war ein gutes „Gesellenstück“ des Bundesministers für Gesundheit Jens Spahn (CSU). Auch wenn das lange noch nicht genug ist. Der Grund: Geringverdienende Arbeitnehmer sind nach wie vor besser gestellt als Selbstständige mit kleinem Einkommen. Sie müssen deutlich geringere Beiträge zahlen.

Das wissen auch der handwerkliche Zentralverband und die normalerweise an Gerechtigkeit interessierten Gewerkschaften. Aber darum gehts ihnen nicht: „Wenn der ZDH von Bürokratieabbau spricht, meint er nie sich selbst“, kommentiert IFHandwerk-Geschäftsführer Michael Wörle den Vorstoß. „Denn die Forderungen von ZDH und DGB beinhalten im Kern vor allem mehr Kontrolle und bürokratische Schikanen von kleinen Gewerbetreibenden, die von der Bürokratie schon heute überfordert sind.“

Die Schlagworte der Kampagne, mit der ZDH und DGB die Politik zum Handeln auffordert:

  • Zunehmende Anzahl von wettbewerbsverzerrend agierenden Soloselbständigen
  • Wettbewerbsverzerrung durch unfaire Unterbietungsstrategien mit Lohndumping, weil Soloselbstständige angeblich nicht krankenversichert, unfallversichert, ohne Mehrwertsteuer arbeiten.
  • Selbstständige missbrauchen angeblich rechtlich zulässige Formen wie das Reisegewerbe und GbRs, die unbürokratische und beliebte Rechtsform der Gesellschaft bürgerlichen Rechts.

Der Forderungskatalog im Positionspapier des handwerklichen Zentralverbands und der Gewerkschaften zielen also auf mehr Kontrolle und damit mehr Einfluss von Handwerkskammern und Gewerkschaften. Das Arsenal umfasst die Forderung nach einer Reduktion des Reisegewerbes und verstärkte Kontrollrechte der Finanzkontrolle Schwarzarbeit, aber auch von Unfallversicherungsträgern und Krankenkassen. Auch die Ausweitung der Kleingewerberegelung von 17,5T€ auf 22T€, die kleinen Gewerbetreibenden und Freiberuflern unnötige Bürokratie ersparen soll, soll schon wieder auf den Prüfstand.

Im Ergebnis würde das für die Kultur der Selbstständigkeit in Deutschland einen herben Rückschlag. Dem Handwerk geht es so gut wie nie. Verbraucher leiden unter dem Problem, dass sie immer schwerer Handwerker bekommen. Die Forderungen von ZDH und DGB bedeuten, dass noch mehr Betriebe vom Markt verschwinden werden.

„Die Handwerksnovelle 2020 hat gezeigt, dass das verkammerte Handwerk sich mit gezinkten Karten einen Wettbewerbsvorteil erschlichen hat“, kommentiert IFHandwerk-Geschäftsführer das Forderungspapier. Sabine Poschmann hat in der Bundestagsdebatte sogar behauptet, dass der Gesetzgeber die Reform von 2004 überprüft und dafür Gutachten in Auftrag gegeben hatte. „Der Gesetzgeber hat sich jedoch die Gutachten vom ZDH bezahlen lassen und sich einen unfairen Wettbewerbsvorteil im Gesetzgebungsverfahren erschlichen“, meint Michael Wörle. Eine kleine Anfrage der Bundestagsfraktion „Die Linke“ enthüllt, wer mit wem gesprochen hat. Dieses zeigt: Drahtzieher waren ZDH und Gewerkschaften, die die Politik vor ihren Karren spannen. Wie auch jetzt. Michael Wörle: „Unsere Erfahrung bei der Handwerksnovelle zeigt, dass mit einer fairen Überprüfung bei der Reform der Mindestbeiträge für Selbständige in der Krankenversicherung nicht gerechnet werden sollte. Überprüfung meint in Wahrheit, die Arbeitsbedingungen von Selbstständigen weiter zu erschweren.“

Heute tritt die neue Handwerksordnung in Kraft

Heute ist die neue Handwerksordnung in Kraft getreten. Dass das so lange gedauert hat, hat prozedurale Gründe. Das Bundeswirtschaftsministerium, Minister Altmaier, Bundesjustizministerium, Bundesrat und der Bundespräsident: Sie alle sind involviert, bevor die Gesetzesänderung im Bundesgesetzblatt verkündet werden kann. Nun haben wir die Endfassung. Gewerbeanmeldungen für die 12 auserwählten Gewerke, die wieder zwangsvermeistert werden, sind ab sofort nur noch mit einem großen Befähigungsnachweis (in der Regel die Meisterprüfung) möglich.

Die rückvermeisterten Gewerke wie Raumausstatter oder Fliesenleger haben aber auch die Möglichkeiten, auf andere Art und Weise eine Handwerksrolleneintragung und damit eine Zulassung zu bekommen. Hierzu zählen die Altgesellenregelung nach § 7b HWO oder eine Konzessionsträgerregelung nach § 1 HWO, wie sie in dem Buch unseres Geschäftsführers Michael Wörle „Selbstständig ohne Meisterbrief – Was Handwerkskammern gern verschweigen“ umfassend beschrieben sind. Auch von diesem Buch wird es eine Neuauflage geben müssen, aber die Möglichkeiten sind von der Novelle unberührt. Gerade die Altgesellenregelung, die 2004 von der damaligen rotgrünen Bundesregierung geschaffen wurde, hat vielen erfahrenen Handwerkern zu einer Zulassung verholfen.

Umfangreiche aktuelle und praxisnahe Informationen und Beratung erhalten Mitglieder des IFHandwerk e.V. in der Geschäftsstelle. Wer eine gute Geschäftsidee hat, findet immer legale Lösungen. Rufen Sie an: 040 – 399 00 167 oder schreiben Sie eine E-Mail an mail@if-handwerk.de

IFHandwerk-Kommentar zum Bundestagsbeschluss

Mit dem Beschluss des Bundestages und Bundesrates am 12.12. scheint der Weg frei. Doch die Debatte um die „Rückvermeisterung“ hört nicht auf. Auch wenn sich die verantwortlichen Politiker vermutlich wünschen, dass bei diesem Thema nach dem eilig durchgepeitschten Bundestagsbeschluss nun wieder Ruhe einkehren wird. Das wird nicht passieren, so Prof. Wambach von der Monopolkommission heute im Deutschlandfunk (Link: https://cutt.ly/ke6STAH). Auch wenn – gefühlt – diese Woche nicht anders sein wird als nächste Woche: Die negativen Auswirkungen werden spürbar werden. Nur zeitverzögert.

Wer wird das zu spüren bekommen? Verbraucher werden es spüren, weil sie noch schwerer einen Handwerker bekommen und mehr bezahlen müssen. Der Staat: Durch mehr Schwarzarbeit, weil nur so Angebot und Nachfrage nach dieser Intervention noch zusammen kommen. Aber auch Handwerksunternehmer selbst werden es zu spüren bekommen: Weil die Existenzgründung nur noch mit großem Befähigungsnachweis (wie der Meisterzwang unter Juristen heißt) möglich sein wird. Und weil sie ihren Betrieb in Zukunft schwerer verkaufen können (Nachfolgeregelung: Denn der Nachfolger (Käufer) braucht anders als bisher zukünftig einen Konzessionsträger, wenn er selbst den Befähigungsnachweis nicht erbringen kann).

All das verstärkt schon heute vorhandene Engpässe: bei Verbrauchern, der Handwerkern, die in Ruhestand gehen wollen, und Existenzgründern. Die enorme Dynamik, so Wambach, die die Reform 2004 ausgelöst hat, wird ausgebremst. Das kann man volkswirtschaftlich gedacht nicht wollen. Das können nur diejenigen wollen, die hoffen, mit weniger Wettbewerbern bessere Geschäfte machen zu können. Das werden sicher nicht die Verbraucher sein.

Schaut man genauer hin, sieht man, dass die entscheidenden Gutachter, die das Verfahren bei der Rückvermeisterung maßgeblich beeinflusst haben, vom Zentralverband des deutschen Handwerks (ZDH) bezahlt wurden. Wer zahlt, bestimmt. Das haben wir als Beobachter bei dieser Gesetzesinitiative von CDU/CSU und SPD genau sehen können. Noch Fragen?

Ein kleiner Trost für freie Handwerker: Das Oberlandesgericht Hamburg hat in einem soeben bekannt gewordenen Urteil entschieden, dass auch Verträge mit Handwerkern ohne Meisterbrief gültig sind: Sie sind nur in Ausnahmefällen unwirksam (Aktenzeichen 11 U 138/17; die Nichtzlassungsbeschwerde wurde vom BGH am 18.9.19 zurückgewiesen). Das stärkt die Kunden-Handwerkerbeziehung! Es ist nicht gut, wenn der Staat den Wettbewerb stört.