IFHandwerk e.V.

Rolle rückwärts: Wird eine Rückkehr zum Meisterzwang kommen?

Die „Fünf Weisen“, wie der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung genannt wird, mahnen immer wieder an, dass wettbewerbsfeindliche Strukturen in der Wirtschaft, nicht nur im Handwerk die wirtschaftliche Entwicklung und Dynamik in Deutschland schwächen. Während die demografische Entwicklung dringend Zuwanderung braucht (also mehr Arbeitskräfte!), hat sich die Lage im Handwerk insofern verändert, dass der Fachkräftemangel einen Engpass erzeugt hat, der das Interesse an Existenzgründungen möglicherweise verringert. Die Meisterlobby setzt sich seit 14 Jahren dafür ein, die Abschaffung des Meisterzwangs 2003 wieder rückgängig zu machen.Wird sie Erfolg haben?

Eine Einschätzung:

2003 wurde die Abschaffung des Meisterzwangs für 53 Handwerksberufe gerade damit begründet, dass das deutsche, in Europa untypische Ausbildungssystem im Handwerk mit gleich zwei Zutrittsschwellen (Gesellenprüfung und Meisterprüfung als Teil der Berufszulassung) europafest gemacht werden sollte. Und die OECD sowie die Fachleute vom Sachverständigenrat und der Monopolkommission fordern eine Abschaffung des Meisterzwangs und die Zwangsmitgliedschaft in den Handwerkskammern. Eine Gegenbewegung um den CDU-Abgeordneten Linnemann und der Handwerkskammer-Zentralsverband unter Führung von ZDH-Präsident Wollseifer gehen die „Rolle Rückwärts“, die „Rückvermeisterung“, jedoch strategisch an. Mehrere von ihnen in Auftrag gegebene Gutachten sollen ihnen Schützenhilfe geben, um die Front der Liberalisierungsbefürworter aufzuweichen und die internationalen Gremien zu überzeugen. Gerade letzteren ist kaum zu erklären, warum Deutschland hier Berufsschranken errichtet, die es in anderen Ländern nicht gibt. Und solche Schranken sind immer auch ein Hindernis im europäischen Binnenmarkt, weil sie den freien Handel mit Dienstleistungen erschweren oder verhindern. Wollseifers Argumentation geht so weit, dass er nicht nur für „fairen“ Wettbewerb plädiert (meint: die anderen Dienstleister im Binnenmarkt sollen sich an die deutschen Regeln halten). Im Interview der Deutschen Handwerkszeitung argumentierte er auch noch sozialpolitisch:

„Was passiert denn, wenn die vielen schlecht verdienenden und teilweise nicht kranken- und sozialversicherten Soloselbstständigen der Anlage B einmal krank werden oder in Rente gehen?“ Na eben. Dann sollte man freien Handwerkern ohne Meisterbrief ihre Selbstständigkeit zu ihrem eigenen Schutz lieber gleich ganz verbieten. Woanders fordert die Meisterlobby immer Zuschüsse vom Staat (z.B. Diesel-Umrüstung), hier fordert sie – wie immer – das Verbot der Selbstständigkeit. Wir erinnern daran: die freie Berufswahl ist ein Grundrecht. Der Meisterzwang ist die Ausnahme von der Berufsfreiheit. Nicht umgekehrt. Schon vergessen?

Wie schwer sich die Meisterlobby tut, den Meisterzwang wieder einzuführen, zeigt, dass sie seit 14 Jahren hier kaum Erfolge zu verzeichnen hatte. Das aber heißt nicht, dass sie sich jetzt durchsetzen wird. Man wird sehen, ob einzelne Berufe wie die Fliesenleger wieder in die Anlage A übernommen werden. Nicht weil der Beruf gefahrengeneigt ist und damit der Endverbraucher geschützt werden müsste. Sondern weil hier die Zahl der Existenzgründungen (und damit subjektiv der Druck aus Sicht der Liberalisierungsgegner) am größten ist. Dass alle freien Berufe meisterpflichtig werden, ist eher nicht zu erwarten. Nicht, solange die Europäische Union existiert oder Fachleute wie der Sachverständigenrat keine Kehrtwende vollziehen.

Meisterzwang in der Diskussion

Einen Griff in die Mottenkiste nennt Reinhold von Eben-Worlee vom Verband der Familienunternehmer die neue Diskussion um den Meisterzwang. Der MIT-Vorsitzende Carsten Linnemann (CDU) befürwortet die Wiedereinführung des Meisterzwangs und der Präsident der Handwerkskammer springt ihm bei. Oder ist es vielleicht umgekehrt? Die Handwerkskammern schicken den CDU-Abgeordneten Linnemann vor, damit der alte Zustand wieder hergestellt wird? Egal, es soll wieder diskutiert werden.

Der Familienunternehmer argumentiert in einem sehr lesenwerten Artikel der „Frankfurter Rundschau“, dass man mit neuen Berufszugangshürden weder mehr Ausbildung fördert zur Behebung des Fachkräftemangels noch die ohnehin schon prekäre Weitergabe von Familienunternehmen an die nächste Generation.

Link zum Artikel: http://www.fr.de/politik/meinung/gastbeitraege/meisterzwang-im-handwerk-meister-der-regulierung-a-1561697

Meisterzwangsbefürworter Carsten Linnemann dagegen argumentiert, dass man nur mit einer Stärkung des Meisterzwangs für viele der ca 50 freien Handwerksberufe die duale Berufsbildung stärken könne. Dem hält der Familienunternehmer Eben-Worlee dagegen, dass ein Berufsabitur hier viel mehr helfen könne und er führt fort: „Ein 30 Jahre alter Meisterbrief kann angesichts rasanter technischer Entwicklungen sehr wenig wert sein, wenn sich der Meister im Laufe der Jahre nicht weitergebildet hat.“

Das Bundeswirtschaftsministerium unter Führung des neuen Wirtschaftsministers Peter Altmaier hingegen propagiert zwar eine Gründungsoffensive, so viel Markt und so wenig Bürokratie wie möglich, Begeisterung für Selbstständigkeit und Mut und mehr Wertschätzung für Unternehmertum. Wie man jedoch Entbürokratisierung zusammen mit neuen Berufszugangshürden wie dem Meisterzwang zusammen bringen will, konnte das Ministerium auch unter seinen Vorgängern nicht erklären. Die „Prüfung läuft derzeit“, ob der Meisterzwang für die seit 2004 frei gewordenen Handwerksberufe zurückkehren soll, erklärte Altmaiers Pressesprecher Phillip Jornitz. Wir sind gespannt.

Dass Entbürokratisierung für findige Handwerker ohne Meisterbrief in der Praxis Hausdurchsuchung, Kundenschädigung und Rechtsunsicherheit bedeutet, wurde bis heute nicht beseitigt. Hier hat die Bundesregierung noch einiges zu leisten, bevor wir von einem gründerfreundlichen Land sprechen können. Das gilt auch für die geplante Rentenversicherungspflicht oder gerade für Existenzgründer wichtige Gleichstellung bei der Berechnung von Krankenversicherungsbeiträgen.

Krankenkassenbeiträge für Selbstständige werden gesenkt.

Es kommt Bewegung in das ungerechte System der Krankenkassenbeiträge für Selbstständige. Das Fernsehmagazin „Plusminus“ hat über den Skandal der Beitragsberechnung berichtet, der neue Gesundheitsminister Spahn hat seinen Gesetzentwurf schon fertig und will ab nächstem Jahr für die gesetzlich Versicherten insgesamt Beiträge senken. Der neue Mindestbeitrag soll 171,28€ betragen.

Das Fernsehmagazin „Plusminus“ zeigte anschaulich an zwei Beispielen, wie ungerecht das System bislang ist und wie sehr Selbstständige benachteiligt werden. Claudia von Niessen ist selbstständig seit 20 Jahren. Ihr Einkommen ist abhängig von regulierten Vergütungssätzen, die nicht erhöht, sondern stattdessen gesenkt wurden. Mit zunehmendem Alter verdient sie nur noch 750€ monatlich. Davon muss sie 427€ an die Krankenkasse abgeben. Der Grund: Die Krankenkasse legt bei der Beitragsberechnung nicht ihr reales Einkommen zugrunde, sondern ein fiktives Mindesteinkommen von derzeit 2.284€ . „Je weniger Einkommen man hat, desto mehr Krankenkassenbeiträge zahlt man prozentual“, meint Claudia von Niessen. Der neue Gesundheitsminister Spahn hat nun endlich das Thema angepackt und will das fiktive Mindesteinkommen ab 2019 halbieren. Das geht der BAGSV, einem Zusammenschluss von 20 Verbänden, zu dem auch der IFHANDWERK e.V. gehört, nicht weit genug. Die Verbände fordern einen wirklich einkommensabhängigen Beitrag, der bei niedrigem Einkommen so niedrig sein muss wie auch bei geringfügig beschäftigten Arbeitnehmern. Denn Selbstständige müssen ja auch noch den Arbeitgeberanteil selbst aufbringen. Den Krankenkassen wiederum geht das viel zu weit. Sie befürchten, dass dann die sog. „schlechten Risiken“ (die Kranken) in der gesetzlichen und die „guten Risiken“ (die Gesunden) in der privaten Krankenversicherung landen, was sie unsolidarisch fänden. Deshalb wollten sie nur eine Absenkung der Bemessungsgrundlage auf 1.500€ (Mindestlohnniveau als Solidarprinzip) akzeptieren. Das Bundeskabinett hat sich jedoch schon festgelegt, der Bundestag muss aber noch zustimmen.

Der Trump-Effekt

Die Welt sortiert sich neu. Revolutionäre oder Zerstörer treten auf die Bühne. Wohin steuert die Welt? Die neue Ausgabe des IFHandwerk-Newsletters „Der Handwerksberater“ thematisiert die aktuellen Entwicklungen: Den Erdrutsch-Sieg bei den Handelskammer-Wahlen in Hamburg, wo die Reformer oder Kammerrebellen sich mit 95% der abgegebenen Stimmen durchgesetzt haben und nun Zwangsbeiträge und den Hauptgeschäftsführer Schmidt-Trenz beseitigen wollen, den Wahlsieg des neuen US-Präsidenten, die geplante Rentenversicherungspflicht für Solo-Selbstständige und die ungerechten und überhöhten Mindestebeiträge bei der Krankenversicherung für Selbstständige. Diese und viele andere Themen finden Sie im neuen HANDWERKSBERATER.

Zukunft der Arbeit: IFHandwerk e.V. zu Gast bei der Arbeitsministerin in Berlin

Der IFHandwerk e.V. war Gast bei Andrea Nahles, der Bundesarbeitsministerin. Das ist die zentrale Ministerin, die verantwortlich für die geplante Rentenversicherungspflicht für alle ist. Sie steht auch hinter der Verschärfung der Verfolgung von Solo-Selbstständigen und ihren Auftraggebern als Scheinselbstständige (wir berichteten, siehe auch HANDWERKSBERATER NR. 38). Wichtigstes Ergebnis der vertraulichen Gesprächsrunde: Die Bundesarbeitsministerin sieht die Problematik für Selbstständige, sie sieht es, dass für Solo-Selbstständige durch bürokratische Hürden die Arbeit immer schwieriger und komplizierter wird. Das Gespräch in kleiner Runde fand in einer sehr offenen konstruktiven Athmosphäre statt. Das Handwerk wurde vertreten durch den IFHandwerk e.V.

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