IFHandwerk e.V.

Ratgeber für Handwerker ohne Meisterbrief – Neuerscheinung: „Selbstständig ohne Meisterbrief “ (11. Auflage)

Darauf haben viele freie Handwerkerinnen und Handwerker lange gewartet: Nun ist der bewährte Ratgeber wieder aktualisiert und komplett überarbeitet im Buchhandel verfügbar. Das von Michael Wörle erstmals 1986 auf dem Markt erschienene Buch „Selbstständig ohne Meisterbrief – Was Handwerkskammern gern verschweigen“ ist neu erschienen. Und zwar in der insgesamt 11. Auflage (2. Auflage bei dtv). Hier erfahren Handwerker ohne Meisterbrief, wie sie ihr Handwerk ganz legal auch ohne Meisterbrief ausüben dürfen. Alles über die Geschichte des von Hitler 1935 geschaffenen Meisterzwangs, Tipps und Tricks aber auch ein Gründungsratgeber für Ihren Schritt in die Selbstständigkeit.

Hier können Sie das Buch bestellen: shorturl.at/wzR05

Wie es zur Rückvermeisterung kam

Sie wissen, dass 2019 mehrere handwerkliche Beruf (12 Gewerke) zwangsvermeistert wurden. Darunter Raumausstatter und Fliesenleger, aber auch Harmoniumbauer, nicht aber die Geigenbauer. Logisch, nachvollziehbar? Natürlich nicht. Das Ganze ist so logisch wie das Kochen ohne Meisterzwang und das Backen nur mit Meisterzwang. Das neu erschienene Buch von Michael Wörle erklärt die Hintergründe, wie es zu diesem erneuten empfindlichen Eingriff in die Berufsfreiheit kam: Der Eingriff hindert Sie als Gründende daran, sich ohne Meisterbrief selbstständig zu machen, obwohl das vorher frei und ungehindert möglich war. Einer der vom Zentralverband des Deutschen Handwerks ZDH bestellten Gutachten, die entscheidend waren für die Zwangsvermeisterung waren, stammt beispielsweise von Prof. Justus Haucap.

Prof. Haucap ist ein interessanter Mann. Solange er Vorsitzender der Meisterzwang-kritischen Monopolkommission war, trat er für mehr Freiheit ein. In dieser Zeit hat die Kommission so wie heute die Wohlstandsverluste durch die Einschränkung des Wettbewerbs auf Grund des Meisterzwangs kritisiert. Dadurch dürfen Verbraucher nicht mehr frei wählen, welchen Handwerker sie beauftragen und welchen nicht. Mit der erneuten Zwangsvermeisterung der 12 Gewerke, einer von Ökonomen allgemein kritisierten Entscheidung des Gesetzgebers, stützt sich der Bundestag maßgeblich auf zwei Gutachten, beide bezahlt vom ZDH – eines von Prof. Haucap. In seinem Gutachten argumentiert Haucap, Existenzgründungen ohne Meisterbrief wären instabiler. Bei einer Pleite würden die Kunden um ihr Geld gebracht. Ein interessanter Gesinnungswandel. Das Stabilitätsargument kann theoretisch gegen alle Existenzgründer vorgebracht werden, nicht nur im Handwerk. Auch im Handel, bei Bauträgern, Freiberuflern, jedem, der das Risiko einer Existenzgründung auf sich nimmt. Aber natürlich argumentiert Haucap, dass der Meisterbrief vor Scheitern besser schützt. Wer zahlt bestimmt. Wie kam es zu dem wundersamen Gesinnungswandel von Prof. Haucap?

Geleaked: Was das Ganze mit den „Uber-Files“ zu tun haben könnte

Nun steht Haucap auch mit einem anderen Gutachten in der Kritik: Den „Uber-Papers“. Interna wurden geleaked und sie verraten uns, wie viel Geld Haucap für ein Gutachten bekam, das er vom amerikanischen Plattformanbieter Uber bekam. Er sollte begründen, wie das Taxi-Zulassungsgebot gekippt werden kann. Ganz anders beim handwerklichen Meisterzwang: Hier begründete Haucap die Einschränkung der Berufsfreiheit, beim Taxigewerbe die Ausweitung der Freiheit.

Wie hoch war der Preis? 44.000 Euro soll der Professor mit seinen Coautoren für das von Uber bestellte Gutachten bekommen haben. Die „Tagesschau“ berichtete über die „Uber Files“, 124.000 vertrauliche Dokumente, die dem britischen Guardian zugespielt wurden. Zum Dem Honorar für das Gutachten kam noch Extrageld: Uber honorierte demnach auch einen Zeitungskommentar. Hier ein Kommentar in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung FAZ. Nachdem das publik wurde, musste Haucap seinen Posten in der FAZIT-Stiftung aufgeben, die die Unabhängigkeit der FAZ sicherstellen soll. Haucap bestreitet allerdings all diese Vorwürfe. Er meinte, die inhaltliche Intervention von „Uber“ in das Gutachten sei nur akzeptiert worden, wo alle seine Koautoren einverstanden waren. Vielleicht war Haucap der Meinung, dass die Ausrichtung des Gutachtens ohnehin seiner liberalen Grundauffassung entsprechen würde, so dass es seine Meinung nicht beeinflussen würde. Verglichen mit seinem Schwenk beim Meisterzwang: Welche Grundhaltung ist eigentlich gemeint? Liberal oder nicht liberal? Fragen über Fragen, vor allem wenn man nicht nur auf Uber schaut. Weitere Fälle betreffen lt. Wikipedia (Link: shorturl.at/bfjMV) die Hanf-Legalisierung oder das Erneuerbare-Energien-Gesetz.

Wie auch immer: Den Taximarkt liberalisieren? Den Handwerksmarkt einschränken? Haucap muss ein interessanter Mann sein, aber mit den „Uber-Files“ hat sein Ruf allerdings gelitten.

Positionsbestimmung: Der Meisterzwang verknappt das Angebot und erhöht die Preise

Interview mit dem FDP-Bundestagsabgeordneten Jens Teutrine

Frage:

Guten Tag, Herr Teutrine. Vielen Dank, dass Sie sich Zeit für die Fragen nehmen, die freie Handwerkerinnen und Handwerker beschäftigen. Wie stehen Sie persönlich zum Meisterzwang?

Antwort:

Der Meister ist ein wichtiges Qualitätsmerkmal. Wir können zurecht stolz auf unser Handwerk in Deutschland sein. Allerdings schränkt der Zwang zum Meister, um bestimmte handwerkliche Betriebe führen zu dürfen, nicht nur die Wahlfreiheit der Kunden ein, sondern erschwert auch den Markteintritt für neue Betriebe enorm. Eine Meisterpflicht etwa für Fliesenleger verknappt das Angebot und erhöht die Preise – das trifft wiederum den Kunden. Gerade weil diese Regelung auch umgangen werden kann, halte ich sie für ein historisches Relikt der Ständewirtschaft. Wie Sie wissen, war ich Bundesvorsitzender der Jungen Liberalen, bevor ich für die FDP in den Bundestag eingezogen bin. Die Jungen Liberalen haben sich hier schon früh klar positioniert und sind in der Abwägung gegen den Meisterzwang, wollen aber den Meister weiter stärken. Ich persönlich teile auch weiterhin diese Position.

Frage:

Freie Handwerkerinnen und Handwerker haben sich seinerzeit entschieden gegen die sog. „Rückvermeisterung“ ausgesprochen und dieses auch in ihrer Stellungnahme bei der Anhörung des Wirtschaftsministeriums ausführlich begründet. So ist es beispielsweise absurd, dass die Harmoniumbauer der Zulassungspflicht unterliegen, die Geigenbauer dagegen nicht. Wie steht die FDP als Partei zum Meisterzwang?

Antwort:

In der FDP gibt es nach meiner Wahrnehmung sehr unterschiedliche Positionen: Die Befürworter der freien Kundenentscheidung und die Befürworter der Meisterpflicht zur Qualitätssicherung. Wichtiger als die Frage der Meisterpflicht ist uns allerdings die Frage, wie wir die Attraktivität des Handwerks noch besser nach außen tragen und politisch unterstützen. Dazu gehört die Exzellenzinitiative für Berufliche Bildung nicht nur für Hochschulen, Aufstiegs-BAföG für Auszubildende und Stipendienmöglichkeiten, Teilzeitfortbildungen und die stärkere Anwerbung junger Menschen. Das sehe ich als die Mission, die zeitgleich angegangen werden muss. 

Frage:

Nach 5 Jahren soll die stark kritisierte Entscheidung für die sog. „Rückvermeisterung“ noch einmal überprüft werden. Inzwischen ist ja mit Robert Habeck ein Grüner Wirtschaftsminister geworden. Abgelöst wurde Peter Altmaier von der CDU. Die Ampelkoalition wird von zwei Parteien bestimmt, die beim „Meisterzwang“ wenigstens teilweise starke Sympathien für die freie und souveräne Kundenentscheidung haben. Wie schätzen Sie das ein: Was wird bei der Überprüfung des „Meisterzwangs“ herauskommen? Wie groß schätzen Sie Ihren Einfluss und den der Jungen Liberalen ein?

Antwort:

Das ist ein Blick in die Glaskugel. Es ist richtig, dass angesichts der neuen wirtschaftlichen Herausforderungen, des massiven Fachkräftemangels und der Transformation unserer Wirtschaft alte Weisheiten erneut auf den Prüfstand gestellt werden, um zu schauen, mit welchen Stellschrauben wir eine „Zeitenwende“ auch in anderen Politikfeldern als der Außenpolitik hinlegen können. Was dabei beim Thema Meisterpflicht herauskommen wird, kann ich aktuell nicht abschätzen. Meine Position ist dabei aber klar.

Herr Teutrine, vielen Dank für das Gespräch

Porträt Jens Teutrine

Jens Teutrine (MdB/FDP) gehört zur Gruppe der Jungen Abgeordneten. Michael Wörle traf ihn in Berlin und traf auf einen überraschend offenen Abgeordneten, der für die Belange freier Handwerkerinnen und Handwerker ein offenes Ohr hat; und zwar wohltuend anders als viele andere Spitzenpolitikern. Vermutlich werden wir von Teutrine auch später noch viel hören. Jens Teutrine (Jahrgang 1993) ist FDP-Bundesvorstandsmitglied und erst seit Oktober 2021 Mitglied des Deutschen Bundestages. Dort ist er Vorsitzender einer Gruppe von jungen Abgeordneten in der FDP-Bundestagsfraktion und Sprecher für das Bürgergeld. 2020/21 war er Bundesvorsitzender der FDP-Jugendorganisation „Junge Liberale“. Beim Thema Meisterzwang sind die Jungen Liberalen Taktgeber für die FDP bundesweit, auch wenn die Fraktion insgesamt der Rückvermeisterung 2019 im Gegensatz zur grünen Bundestagsfraktion zugestimmt hat.

Die Kurzlebigkeit der Politik

Was tun, wenn sich die Ereignisse überschlagen? Nicht nur bei den Energiekosten…

Politik ist sooo schnelllebig. „Vorgestern“ wurde der neue Wirtschaftsminister Habeck noch in den Himmel gelobt. Er war der beliebteste deutsche Politiker (https://bit.ly/3EfZUiZ). „Gestern“ sind fast alle (außer den Insolvenzverwaltern über ihn hergefallen (nach seinem Auftritt bei Maischberger: https://bit.ly/3Ef7utV), nun kommt ein 200 Mrd-Entlastungspaket, doppelt so viel wie die 100 Mrd für die Bundeswehr. So hat sich die Ampel-Koalition Regieren sicher nicht vorgestellt.

Geringverdiener in Not: Zuerst Corona, dann die Energiekrise, danach die Inflation. Beides war Thema des letzten HANDWERKSBERATERs, den unsere Mitglieder bereits zugeschickt bekommen haben. Dazu kommt: Die Baufinanzierungszinsen haben sich fast verfünffacht, die Lieferketten (fehlendes Material) sind schon seit Corona ein Thema. Deutschland steuert auf eine Rezession zu. Wenn Sie ganz konkret Hilfe brauchen, um agil und clever durch die Krise zu kommen, dann nutzen Sie unsere Hotline: 040 399 00 167 (für Mitglieder kostenlos).

Eine gute Nachricht:

Die Corona-Rückforderungsbescheide werden zunehmend von deutschen Gerichten aufgehoben. Zuletzt beispielsweise https://bit.ly/3CrAr4l das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen oder das Verwaltungsgericht Köln https://bit.ly/3M5GX3P

Eines unserer Mitglieder freut sich hier auf Mitstreiter, um sich gegen ungerechte Rückforderungen zu wehren. Verwaltungschaos auf dem Rücken von Selbstständigen darf sich nicht lohnen. Das gleiche gilt natürlich für die Zulassungspflicht von Handwerkerinnen und Handwerkern. Rufen Sie uns an.

Koalitionsvertrag: Was haben Selbstständige von der neuen Bundesregierung?

„Freie Handwerker schauen optimistisch auf die neue Regierung“, sagt IFHandwerk-Geschäftsführer Michael Wörle. „Das Programm der kommenden neuen Regierung könnte Selbstständigen erstmals einen zentraleren Stellenwert einräumen.“ Mit einem historischen Wechsel im Bundeskanzleramt wird das 2. Corona-Jahr zu Ende gehen. Wenn Olaf Scholz noch vor dem 17.12.2021 zum Kanzler gewählt wird, wird er Angela Merkel daran gehindert haben, die Kanzlerin mit der längsten Amtszeit zu werden und Helmut Kohl zu schlagen, das das Nachrichtenmagazin „Stern“ ausgerechnet (Link: https://bit.ly/3cM2U7c). Was plant die neue Regierung? Wir haben uns den Koalitionsvertrag der zukünftigen Regierung einmal kritisch angesehen.

Im Koalitionsvertrag der neuen Regierung kommen erstmals Selbstständige überhaupt richtig vor. Catharina Bruns hatte das während der Koalitionsverhandlungen in einem Kommentar zum ersten Sondierungspapier der drei Parteien treffend auf den Punkt gebracht (Link: https://bit.ly/3FJyn6E). Kernsatz: „Was Selbstständige … verdient hätten, wäre Anerkennung durch echte Reformen. Etwa des Statusfeststellungsverfahrens zur Abgrenzung von Selbstständigkeit und abhängiger Beschäftigung. In Deutschland muss man im Zweifel schließlich der Rentenversicherung beweisen, dass man nicht nur zum Schein selbstständig ist.“

Einiges von den diskriminierenden Praktiken zur Verhinderung von Selbstständigkeit in Deutschland, worum der IFHandwerk e.V. die letzten Jahre zusammen mit 30 anderen Verbänden von Selbstständigen gerungen hat, könnte nun tatsächlich besser werden.

Das sind die notwendigen Reformen, die der Koalitionsvertrag in Aussicht stellt: Absenkung der Krankenkassenbeiträge für Geringverdiener in der GKV. Ein erleichterter Zugang zur Arbeitslosenversicherung für Selbstständige und GmbH-Geschäftsführer und die Verlängerung der Neustarthilfe im Rahmen der Überbrückungshilfe III Plus (mit Steuermitteln!), vielleicht ähnlich wie beim Kurzarbeitergeld für Arbeitnehmer. Aber auch eine Pflicht zur Altersvorsorge, die allerdings auch mit der alten Regierung gekommen wäre. Diesmal aber mit der von uns gewünschten Wahlfreiheit, also auch kapitalgedeckter Altersvorsorge. Das haben offensichtlich die beiden kleineren Parteien (Die Grünen/FDP) der SPD abgerungen. Der Kernsatz dieses neuen Denkens lautet wie folgt: „Selbständige sind wesentlicher Teil unserer Gesellschaft und Wirtschaft. Nach der aktuellen Reform des Statusfeststellungverfahrens führen wir im Lichte der Erfahrungen einen Dialog mit Selbständigen und ihren Verbänden, um dieses zu beschleunigen und zu verbessern. Ziel ist, in der digitalen und agilen Arbeitswelt unbürokratisch Rechtssicherheit zu schaffen.“ Wir sind also angekommen. Unsere Kritik beim Thema Scheinselbstständigkeit und Altersvorsorgepflicht hat gefruchtet.

Anders sieht es beim Meisterzwang aus. Hier hat sich offenbar die Meisterlobby durchgesetzt. Sie bekommt noch einen „Goody“ on top: Meisterprüfungsvorbereitungskurse sollen stärker bezuschusst werden.  Vermutlich reicht der Meisterzwang alleine nicht aus, um Handwerker ohne Meisterbrief zur Prüfung zu bringen.

Der Vertrag atmet an vielen Stellen trotzdem eine neue Haltung. Die neue Koalition wird nicht nur auf die Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften hören, sondern auch auf uns – auf die organisierten Selbstständigen und ihre Verbände (Link: https://www.bagsv.de/news/). Wir werden die neue Regierung kritisch, aber dialogorientiert beobachten und begleiten.

Anders als beim Meisterzwang, wo sich die Meisterlobby durchgesetzt hat. Hier gibt es noch einen Goody on top: Meisterprüfungsvorbereitungskurse sollen stärker bezuschusst werden.  Vermutlich reicht der Meisterzwang alleine nicht aus, um Handwerker ohne Meisterbrief zur Prüfung zu bringen.

Der Vertrag atmet an vielen Stellen trotzdem eine neue Haltung, nicht nur auf die Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften zu hören, sondern auch auf Selbstständige und ihre Verbände. Wir werden die Regierungspolitik kritisch und dialogorientiert beobachten und begleiten.

Meisterzwang: Bald keine Handwerker mehr ohne Meisterbrief?

Das ist ja ein Ding: Während die Ampelwilligen noch über eine neue Regierung und einen Koalitionsvertrag verhandeln, machen sich die Fernsehredakteure Jens Gaiser und seine Frau Constanze als Bäcker selbstständig. Auf einer deutschen Ferien-Insel, wo es kaum Handwerker gibt und einen Handwerker zu finden, einem Lottogewinn gleich kommt. Wenn da nicht der deutsche Meisterzwang wäre.

Der Vater von Jens Gaiser war hier schon als Bäcker selbstständig. Der Sohn aber hat erst mal auf dem Festland Karriere beim Fernsehen gemacht. Die Insel besuchten Jens und Constanze nur im Urlaub. Aber auf der Insel ist es üblich, mit anzupacken. Sogar für die Feriengäste, wie der NDR berichtet. Die Bevölkerung von knapp 500 Menschen verzehnfacht sich im Sommer auf der kleinen Insel. Ein Fischladen ohne Ahnung vom Fisch? Ein Back-Shop ohne Bäckermeister? Was wäre, wenn die zuständigen Behörden das einfach verbieten würden?

Was auf der kleinen Insel mit Liebe, Kreativität und Selbsthilfe ganz praktisch Tag für Tag gelöst wird, droht nun bald ganz Deutschland. Seitdem der Meisterzwang 2020 wieder auf 12 zulassungsfreie Gewerke wie Raumausstatter oder Fliesenleger ausgeweitet wurde, wird sich der Handwerkermangel nicht nur auf der Insel verschärfen. Mangelnder Nachwuchs durch die demografischen Entwicklung + Bürokratie wird nicht nur für potentielle Kunden den Handwerkermangel verschärfen. Die Zugangsbeschränkung wird sogar für die Profiteure der Bürokratie, die durch Meisterzwang weniger Konkurrenz haben, zunehmend Schwierigkeiten machen. Dann nämlich wenn auch alt eingeführte Meisterbetriebe ihr Lebenswerk verkaufen wollen und der Nachfolger keine Zulassung bekommt. Oder nur mit der Auflage verkauft werden kann, einen Handwerksmeister einzustellen. Das wird den Verkauf des Unternehmens erschweren oder verhindern. Und die Firma ist plötzlich weniger wert.

Nicht alles was also Konkurrenzschutz verspricht, ist auch für etablierte Betriebe von Vorteil. Ganz zu schweigen von den Kunden, die mit der Angebotsverknappung entweder keinen Handwerker mehr bekommen oder nur noch zu deutlich höheren Preisen. Das alles sind Argumente, die bei den Anhörungen zur Neuregelung des Meisterzwangs vorgetragen wurden, aber verhallten.

Zurück nach Baltrum. Der Fernsehredakteur hats gut gemacht. Eine Bäckerei ohne Meisterbrief wurde es nicht, sondern ein Cafe mit frischen Brötchen und leckeren Torten: Das ging. Guten Appetit. „Sehr leckere Sachen ein gemütliches Ambiente“, schreiben Gäste auf Google. Hauptsache es schmeckt.

Der Politik sei geraten: Vergesst die Selbstständigen nicht. Die SPD, die die im Jahr 2019 durchgedrückte „Rückvermeisterung“ mit zu verantworten hat, wird sich hoffentlich von ihren grünen und gelben Koalitionspartnern mehr Verständnis und mehr Entbürokratisierung abringen lassen. Sonst müssen Selbstständige noch mehr arbeiten, nur um viele Formulare auszufüllen und am Ende erklärt zu bekommen, dass die Selbstständigkeit nicht geht.

Zeitdruck und 14 Stunden-Tage waren die Cafe-Inhaber Jens Gaiser und seiner Frau Constanze Gaiser auch als Redakteur gewohnt. Die gebürtige Chemnitzerin war im alten Job die Vorgesetzte ihres Mannes und ist nun seine Geschäftspartnerin. Hier auf der Insel haben sie trotz der vielen Arbeit mehr Zeit für ihre Familie. Der Sohn Quin macht seine Hausaufgaben im Cafe. In der Großstadt ging das nicht. Hier war er länger als andere in der Kita. Der Job macht beiden Eheleuten Spaß. Zurück auf die Insel, einfach ein Cafe aufmachen, aber auch Zeit haben für die gehbehinderte Mutter: Das alles sind häufige Motive für die Selbstständigkeit. Freiheit, selbst bestimmt arbeiten, etwas Neues ausprobieren, die Welt verändern. Typisch selbstständig. Sie haben es nicht bereut. Liebe Behörden: Quält die Selbstständigen nicht. Sonst gibt’s bald keine frischen Brötchen mehr. Nicht nur auf Baltrum.