IFHandwerk e.V.

Meisterzwang: Bald keine Handwerker mehr ohne Meisterbrief?

Das ist ja ein Ding: Während die Ampelwilligen noch über eine neue Regierung und einen Koalitionsvertrag verhandeln, machen sich die Fernsehredakteure Jens Gaiser und seine Frau Constanze als Bäcker selbstständig. Auf einer deutschen Ferien-Insel, wo es kaum Handwerker gibt und einen Handwerker zu finden, einem Lottogewinn gleich kommt. Wenn da nicht der deutsche Meisterzwang wäre.

Der Vater von Jens Gaiser war hier schon als Bäcker selbstständig. Der Sohn aber hat erst mal auf dem Festland Karriere beim Fernsehen gemacht. Die Insel besuchten Jens und Constanze nur im Urlaub. Aber auf der Insel ist es üblich, mit anzupacken. Sogar für die Feriengäste, wie der NDR berichtet. Die Bevölkerung von knapp 500 Menschen verzehnfacht sich im Sommer auf der kleinen Insel. Ein Fischladen ohne Ahnung vom Fisch? Ein Back-Shop ohne Bäckermeister? Was wäre, wenn die zuständigen Behörden das einfach verbieten würden?

Was auf der kleinen Insel mit Liebe, Kreativität und Selbsthilfe ganz praktisch Tag für Tag gelöst wird, droht nun bald ganz Deutschland. Seitdem der Meisterzwang 2020 wieder auf 12 zulassungsfreie Gewerke wie Raumausstatter oder Fliesenleger ausgeweitet wurde, wird sich der Handwerkermangel nicht nur auf der Insel verschärfen. Mangelnder Nachwuchs durch die demografischen Entwicklung + Bürokratie wird nicht nur für potentielle Kunden den Handwerkermangel verschärfen. Die Zugangsbeschränkung wird sogar für die Profiteure der Bürokratie, die durch Meisterzwang weniger Konkurrenz haben, zunehmend Schwierigkeiten machen. Dann nämlich wenn auch alt eingeführte Meisterbetriebe ihr Lebenswerk verkaufen wollen und der Nachfolger keine Zulassung bekommt. Oder nur mit der Auflage verkauft werden kann, einen Handwerksmeister einzustellen. Das wird den Verkauf des Unternehmens erschweren oder verhindern. Und die Firma ist plötzlich weniger wert.

Nicht alles was also Konkurrenzschutz verspricht, ist auch für etablierte Betriebe von Vorteil. Ganz zu schweigen von den Kunden, die mit der Angebotsverknappung entweder keinen Handwerker mehr bekommen oder nur noch zu deutlich höheren Preisen. Das alles sind Argumente, die bei den Anhörungen zur Neuregelung des Meisterzwangs vorgetragen wurden, aber verhallten.

Zurück nach Baltrum. Der Fernsehredakteur hats gut gemacht. Eine Bäckerei ohne Meisterbrief wurde es nicht, sondern ein Cafe mit frischen Brötchen und leckeren Torten: Das ging. Guten Appetit. „Sehr leckere Sachen ein gemütliches Ambiente“, schreiben Gäste auf Google. Hauptsache es schmeckt.

Der Politik sei geraten: Vergesst die Selbstständigen nicht. Die SPD, die die im Jahr 2019 durchgedrückte „Rückvermeisterung“ mit zu verantworten hat, wird sich hoffentlich von ihren grünen und gelben Koalitionspartnern mehr Verständnis und mehr Entbürokratisierung abringen lassen. Sonst müssen Selbstständige noch mehr arbeiten, nur um viele Formulare auszufüllen und am Ende erklärt zu bekommen, dass die Selbstständigkeit nicht geht.

Zeitdruck und 14 Stunden-Tage waren die Cafe-Inhaber Jens Gaiser und seiner Frau Constanze Gaiser auch als Redakteur gewohnt. Die gebürtige Chemnitzerin war im alten Job die Vorgesetzte ihres Mannes und ist nun seine Geschäftspartnerin. Hier auf der Insel haben sie trotz der vielen Arbeit mehr Zeit für ihre Familie. Der Sohn Quin macht seine Hausaufgaben im Cafe. In der Großstadt ging das nicht. Hier war er länger als andere in der Kita. Der Job macht beiden Eheleuten Spaß. Zurück auf die Insel, einfach ein Cafe aufmachen, aber auch Zeit haben für die gehbehinderte Mutter: Das alles sind häufige Motive für die Selbstständigkeit. Freiheit, selbst bestimmt arbeiten, etwas Neues ausprobieren, die Welt verändern. Typisch selbstständig. Sie haben es nicht bereut. Liebe Behörden: Quält die Selbstständigen nicht. Sonst gibt’s bald keine frischen Brötchen mehr. Nicht nur auf Baltrum.

Das Bürokratieproblem der CDU/CSU

In einem aktuellen Interview gab der neue CDU-Vorsitzende Armin Laschet zu Protokoll, dass er die Enttäuschten der CDU-geführten Bundesregierung mit Bürokratieabbau zurückgewinnen möchte. Wörtlich sagte Laschet, er „… glaube, dass vieles von dem, was Friedrich Merz will, … auch bei uns in NRW schon Realität ist: Bürokratieabbau, den ländlichen Raum… nicht durch Überregulierung strangulieren, eine neue Existenzgründungswelle lostreten.“

Weiß Laschet nicht, dass die große Koalition unter dem CDU-Wirtschaftsminister Altmaier gerade erst eine Gründungswelle im Handwerk „gekillt hat“? Die Novellierung der Handwerksordnung mit der Wiedereinführung des Meisterzwangs hat 68% aller neu gegründeten Gewerke wie Fliesenleger und Raumausstatter wieder dem Meisterzwang unterworfen, so dass Existenzgründer, die nicht vorher gegründet haben, mit neuen bürokratischen Anforderungen überzogen werden und ihre Kunden der Vertragsfreiheit beraubt werden. Wie will er da eine neue Existenzgründungswelle lostreten?

„Das Bürokratieproblem der Unionsparteien ist, dass sie immer nur mit dem Blick eines Einäugigen auf die Wirtschaft guckt“, meint IFHandwerk-Geschäftsführer Michael Wörle. „Bürokratieabbau war bislang immer nur ein Lippenbekenntnis und mit der letzten Handwerksnovelle hat die Union bewiesen, dass sie hier total unglaubwürdig ist. Wirtschaftsminister Altmaier hat mit seinem Corona-Unterstützungschaos bewiesen, dass er die angekündigte Bazooka zur Wasserpistole verkleinert hat. Braucht es noch eines neuen Bürokratiebeweises?“

In der neuen Ausgabe des „HANDWERKSBERATERS“, des Mitgliedermagazins des IFHandwerk e.V., wird die Bilanz der Rückvermeisterung, Corona-Politik sowie der angekündigten neuen Altersvorsorgepflicht für Selbstständige ausführlich analysiert.

Eilmeldung: Bundesverfassungsgerichtspräsident a.D. Papier deutet Verfassungswidrigkeit der Coronamaßnahmen an. Selbstständigen wird ein „Sonderopfer“ abverlangt.

Der ehemalige Vorsitzende des Bundesverfassungsgerichts Papier, eine wirklich gewichtige Stimme, hat sich gegenüber dem Fernsehsender „ntv“ skeptisch zur Pandemiebekämpfung in Deutschland gezeigt. Er hat Zweifel geäußert, ob die Maßnahmen der Bundesregierung zur Bekämpfung der Corona-Pandemie verfassungskonform sind. Zwar sieht er in der Maskenpflicht keine grundsätzliche Problematik aus verfassungsrechtlicher Sicht, wohl aber bei den Grundrechtseinschränkungen der vielen Selbstständigen.

Der Lockdown führt ja letztlich dazu, dass Einzelhändler schließen müssen, während Versender wie Amazon erhebliche Umsatzsteigerungen haben. Hier wird gewissermaßen Umsatz von kleinen Läden zu Amazon verlagert. An dieser Stelle wäre es beispielhaft wichtig gewesen, dass der Gesetzgeber und nicht die Regierung stärker hätten eingebunden werden müssen. Im Klartext: Durchregieren zur Krisenbekämpfung geht nicht ohne Parlament.

IFHandwerk-Geschäftsführer Michael Wörle: „Das Komplettversagen des Bundeswirtschaftsministers Altmaier, dessen November- und Dezemberhilfen noch immer nicht angekommen sind, ist nur ein kleiner Ausdruck dessen, dass die Regierung hier offensichtlich einen grundlegenden handwerklichen Fehler in ihrem Pandemiemanagement gemacht hat. Das kann dazu führen, dass Musterklagen der indirekt enteigneten Selbstständigen Erfolg haben. Die geschädigten Selbstständigen bekommen dann zwar ihr Unternehmen nicht zurück, aber das wird für die Bundesrepublik noch sehr teuer werden.“

Verfassungsexperte Papier bezeichnete das im Interview mit der Süddeutschen Zeitung als „Sonderopfer“ der Selbstständigen und forderte verbindliche Regeln für die Entschädigung von Unternehmen. Man kann das auch als Kritik an dem Entschädigungschaos des Bundeswirtschaftsministers lesen..

Corona-Debatte: Corona-Hilfen kommen nicht an, der Wirtschaftsminister sollte zurücktreten.

Kommentar: Während der Bundestag noch über die Regierungserklärung des Bundesgesundheitsministers debattiert, melden die von der Pandemie betroffenen Selbstständigen und Unternehmen – nicht zum ersten Mal –  frustriert, dass die Corona-Ausgleichszahlungen aus dem Wirtschaftsministerium vor Ort so gut wie nicht angekommen sind. Nicht mal 7% der bereitgestellten 40 Mrd. Euro sind bis jetzt ausgezahlt, schrieb die FAZ am 9.1. (Link: https://bit.ly/3oHcf4N ). Eigentlich sollten jetzt (endlich) auch die November- und Dezemberhilfen fließen. Aber irgendwelche Pannen führen schon wieder dazu, dass die trotz hoher bürokratischer Schranken „bewehrten“ Hilfen nicht bei den Betroffenen ankommen. „Dieser Lockdown braucht Geduld und Disziplin“, meinte Wirtschaftsminister Altmaier in seinem 1. Interview in diesem Jahr für die Wochenzeitung DIE ZEIT (Link: https://bit.ly/2XB5dT5 ). Der Wirtschaftsminister, der für dieses Desaster verantwortlich ist, klopft sich hierin auf die eigene Schulter. Zitat: „Im Vergleich zu vielen anderen Ländern kommen wir bislang aufgrund unserer Maßnahmen und Unterstützungsprogramme für Beschäftigte und Unternehmen ganz gut durch diese Krise, die Akzeptanz dafür ist hoch.“ Sie hätten in Rekordzeit eine Vergabeplattform aus dem Boden gestampft, wo Steuerberater „problemlos Hilfen beantragen“ können.

Man reibt sich die Augen: Akzeptanz wofür? Weiß der Minister nicht, dass seine Hilfen fast so unwirksam sind wie die Corona-App? Fragt man die Betroffenen, dann hört man weniger Optimismus: Viel zu kompliziert, geradezu erratisch, undurchschaubar: 15 verschiedene Programme von der EU genehmigt, Vergabe über 16 Länder, verschiedene Berechnungsverfahren, nachträgliche Änderungen und nun kommt es ganz hart, Herr Minister: Viele Steuerberater haben keine Lust mehr, dieses Antragschaos mitzumachen. Der Präsiden des Steuerberaterverbandes findet zwar die Grundidee der Coronahilfen gut, Ihre Umsetzung aber mangelhaft (Link: https://bit.ly/2LN5W13 ). Was machen Sie eigentlich, wenn Sie hier alle vergrault haben?

Gefragt, ob er, wie angekündigt, noch immer um jedes Unternehmen kämpfen wolle, meinte er, dass es 2020 weniger Insolvenzen gegeben habe als im Jahr davor. Sieht er es nicht, was kommen wird? 2021 werden wir sehen, was kommt: Eine unvergleichliche Insolvenzwelle und viele Arbeitslose.

Herr Altmaier ist ein Ankündigungsminister, kein Umsetzungsminister. Der Grund: Viel zu wenig praxistaugliche Prozesskompetenz. Wir haben schon vor 10 Monaten vor dieser Bürokratie gewarnt. Aus Sicht von Selbstständigen und Unternehmern ist Wirtschaftsminister Altmaier ein Rücktrittskandidat. Die Pandemie braucht fähige Manager. 

Was bringt das neue Jahr?

Heute sollen endlich (!) Auszahlungen der Dezemberhilfen beginnen, vermeldet das Bundeswirtschaftsministerium stolz in einer Pressemitteilung. Bis zu 50.000€ und für Soloselbstständige bis zu 5.000€ sind als Abschlagszahlung möglich (Link: https://bit.ly/2XeDjMt). Mal sehn, ob der Bundeswirtschaftsminister Altmaier es diesmal unbürokratisch hinkriegt, nachdem zur selben Zeit TUIfly mit weiteren Staatshilfen in Höhe von 1,25 Mrd. Euro gestützt wird. Hier hat die EU-Kommission heute zugestimmt. Insgesamt sollen lt. Tagesschau an TUIfly bis zu 4,8 Mrd. geflossen sein. Der Bedarf hört also nicht auf.

Insgesamt hat das Krisenmanagement von Minister Altmaier aus Selbstständigensicht  bislang nicht gut abgeschnitten. Die Mittel fließen nicht. Die Anträge sind zu bürokratisch. Und wenn dann noch Rückforderungen drohen, dann vergeht den von der Krise gebeutelten Selbstständigen die Lust. „Grundsätzlich falsch“, sagte IFHandwerk-Geschäftsführer Michael Wörle, sei die Vergabepolitik des Wirtschaftsministers im Interview des VGSD (Link: https://bit.ly/3rVs6i3). Nach der aus Sicht des IFHandwerk vor einem Jahr in Kraft getretenen Rückvermeisterung von 12 bisher freien Gewerken vom Fliesenleger bis zum Harmoniumbauer ist der Wirtschaftsminister ohnehin bei freien Handwerkern durchgefallen. Michael Wörle’s Fazit: „Altmaier ist nicht nur wegen seiner großen Corona-Versprechen (und seinen kleinen Tagen) … eine Fehlbesetzung. Die Regierenden sprechen immer von Bürokratieabbau. Und sie machen ständig das Gegenteil.“

Die neue Bürokratie mit dem neuen Meisterzwang und den sog. „Corona-Soforthilfen“ haben uns im zurückliegenden Jahr sehr stark beschäftigt. Handwerkskammern werden offensiver auch gegenüber Nicht-Mitgliedern. Hier sollten Sie wachsam bleiben.

Was bringt das neue Jahr?

Die Altersvorsorgepflicht für alle Selbstständigen wird in diesem Jahr ziemlich sicher kommen. Zwar geht das Tauziehen hinter den Kulissen munter weiter. Es ist z.B. unklar, Was bringt das neue Jahr? weiterlesen