IFHandwerk e.V.

Corona-Debatte: Corona-Hilfen kommen nicht an, der Wirtschaftsminister sollte zurücktreten.

Kommentar: Während der Bundestag noch über die Regierungserklärung des Bundesgesundheitsministers debattiert, melden die von der Pandemie betroffenen Selbstständigen und Unternehmen – nicht zum ersten Mal –  frustriert, dass die Corona-Ausgleichszahlungen aus dem Wirtschaftsministerium vor Ort so gut wie nicht angekommen sind. Nicht mal 7% der bereitgestellten 40 Mrd. Euro sind bis jetzt ausgezahlt, schrieb die FAZ am 9.1. (Link: https://bit.ly/3oHcf4N ). Eigentlich sollten jetzt (endlich) auch die November- und Dezemberhilfen fließen. Aber irgendwelche Pannen führen schon wieder dazu, dass die trotz hoher bürokratischer Schranken „bewehrten“ Hilfen nicht bei den Betroffenen ankommen. „Dieser Lockdown braucht Geduld und Disziplin“, meinte Wirtschaftsminister Altmaier in seinem 1. Interview in diesem Jahr für die Wochenzeitung DIE ZEIT (Link: https://bit.ly/2XB5dT5 ). Der Wirtschaftsminister, der für dieses Desaster verantwortlich ist, klopft sich hierin auf die eigene Schulter. Zitat: „Im Vergleich zu vielen anderen Ländern kommen wir bislang aufgrund unserer Maßnahmen und Unterstützungsprogramme für Beschäftigte und Unternehmen ganz gut durch diese Krise, die Akzeptanz dafür ist hoch.“ Sie hätten in Rekordzeit eine Vergabeplattform aus dem Boden gestampft, wo Steuerberater „problemlos Hilfen beantragen“ können.

Man reibt sich die Augen: Akzeptanz wofür? Weiß der Minister nicht, dass seine Hilfen fast so unwirksam sind wie die Corona-App? Fragt man die Betroffenen, dann hört man weniger Optimismus: Viel zu kompliziert, geradezu erratisch, undurchschaubar: 15 verschiedene Programme von der EU genehmigt, Vergabe über 16 Länder, verschiedene Berechnungsverfahren, nachträgliche Änderungen und nun kommt es ganz hart, Herr Minister: Viele Steuerberater haben keine Lust mehr, dieses Antragschaos mitzumachen. Der Präsiden des Steuerberaterverbandes findet zwar die Grundidee der Coronahilfen gut, Ihre Umsetzung aber mangelhaft (Link: https://bit.ly/2LN5W13 ). Was machen Sie eigentlich, wenn Sie hier alle vergrault haben?

Gefragt, ob er, wie angekündigt, noch immer um jedes Unternehmen kämpfen wolle, meinte er, dass es 2020 weniger Insolvenzen gegeben habe als im Jahr davor. Sieht er es nicht, was kommen wird? 2021 werden wir sehen, was kommt: Eine unvergleichliche Insolvenzwelle und viele Arbeitslose.

Herr Altmaier ist ein Ankündigungsminister, kein Umsetzungsminister. Der Grund: Viel zu wenig praxistaugliche Prozesskompetenz. Wir haben schon vor 10 Monaten vor dieser Bürokratie gewarnt. Aus Sicht von Selbstständigen und Unternehmern ist Wirtschaftsminister Altmaier ein Rücktrittskandidat. Die Pandemie braucht fähige Manager. 

Was bringt das neue Jahr?

Heute sollen endlich (!) Auszahlungen der Dezemberhilfen beginnen, vermeldet das Bundeswirtschaftsministerium stolz in einer Pressemitteilung. Bis zu 50.000€ und für Soloselbstständige bis zu 5.000€ sind als Abschlagszahlung möglich (Link: https://bit.ly/2XeDjMt). Mal sehn, ob der Bundeswirtschaftsminister Altmaier es diesmal unbürokratisch hinkriegt, nachdem zur selben Zeit TUIfly mit weiteren Staatshilfen in Höhe von 1,25 Mrd. Euro gestützt wird. Hier hat die EU-Kommission heute zugestimmt. Insgesamt sollen lt. Tagesschau an TUIfly bis zu 4,8 Mrd. geflossen sein. Der Bedarf hört also nicht auf.

Insgesamt hat das Krisenmanagement von Minister Altmaier aus Selbstständigensicht  bislang nicht gut abgeschnitten. Die Mittel fließen nicht. Die Anträge sind zu bürokratisch. Und wenn dann noch Rückforderungen drohen, dann vergeht den von der Krise gebeutelten Selbstständigen die Lust. „Grundsätzlich falsch“, sagte IFHandwerk-Geschäftsführer Michael Wörle, sei die Vergabepolitik des Wirtschaftsministers im Interview des VGSD (Link: https://bit.ly/3rVs6i3). Nach der aus Sicht des IFHandwerk vor einem Jahr in Kraft getretenen Rückvermeisterung von 12 bisher freien Gewerken vom Fliesenleger bis zum Harmoniumbauer ist der Wirtschaftsminister ohnehin bei freien Handwerkern durchgefallen. Michael Wörle’s Fazit: „Altmaier ist nicht nur wegen seiner großen Corona-Versprechen (und seinen kleinen Tagen) … eine Fehlbesetzung. Die Regierenden sprechen immer von Bürokratieabbau. Und sie machen ständig das Gegenteil.“

Die neue Bürokratie mit dem neuen Meisterzwang und den sog. „Corona-Soforthilfen“ haben uns im zurückliegenden Jahr sehr stark beschäftigt. Handwerkskammern werden offensiver auch gegenüber Nicht-Mitgliedern. Hier sollten Sie wachsam bleiben.

Was bringt das neue Jahr?

Die Altersvorsorgepflicht für alle Selbstständigen wird in diesem Jahr ziemlich sicher kommen. Zwar geht das Tauziehen hinter den Kulissen munter weiter. Es ist z.B. unklar, Was bringt das neue Jahr? weiterlesen

Einer, der uns versteht. Sascha Lobo über das verzerrte Bild der Selbstständigen in Deutschland

Es kommt nicht oft vor, dass das in Medien gezeichnete Bild von Selbstständigen richtig ist. Die ganze Diskussion um Corona-Hilfen, Lockdown, Selbstständige als Schmarotzer und Kostgänger der Allgemeinheit durchzieht die Berichterstattung so prägend, dass es kaum möglich ist, wirksam gegen zu halten. Der Grund: Das Urbild der Gewerbeordnung wird vom Gegensatz Arbeitnehmer – Selbstständige geprägt. Die heutige Diskussion ist geprägt von den „Polkappen“ Arbeitnehmer (Gewerkschaften) – Arbeitgeber (Arbeitgeberverbände). Da haben Solo-Selbstständige nichts zu melden, sie kamen vor der Coronakrise gar nicht mehr vor. Bei der „Rückvermeisterung“ im Handwerk waren sie gar soetwas wie prekäre schmutzige Wettbewerber. Soloselbstständige sind arm, prekär, zahlen nicht in die Rentenkasse ein und fallen, wenn Sie scheitern, der Allgemeinheit (dem Steuerzahler) zur Last. Kein Wort davon, dass ein Drittel der Rentenbeiträge von den Steuerzahlern bestritten werden.

Mit anderen Worten: Selbstständige zahlen Steuern, bekommen aber nichts aus der Rentenkasse. Ihre Steuern kommen Arbeitnehmern zu Gute. Diese Ungerechtigkeit, das falsche „Mindset“, wie das der Bundestagsabgeordnete Johannes Vogel (FDP) in einer tollen Rede im Bundestag ausdrückte, ist Arbeitnehmervertretern, Arbeitgebervertretern und Beamten kaum erklärbar. Dabei haben gerade sie die ursprüngliche starke Stellung der Selbstständigen in der Gewerbeordnung unmerklich zu Lasten der Selbstständigen verschoben.

Sascha Lobo hat in einem lesenswerten Kolumne im Spiegel das Bild wieder geradegerückt:

Sascha Lobo: „Die Union ist stets Freundin der großen Unternehmen und Konzerne. Die SPD sieht in der Festanstellung das allein seligmachende Heil, von den Gewerkschaften ganz zu schweigen.“

Und:

„Die wahre Staatsreligion in diesem Land ist die Festanstellung…. Bei Selbstständigen tut der Staat so, als seien sie selbst schuld an fehlenden Aufträgen.“

Danke Sascha! Das musste mal gesagt werden.

Link: https://bit.ly/2LeQPNq

Handwerkskammer-Offensive – IFHandwerk e.V. lädt in Berlin zum Handwerker-Brunch

Es könnte ein schleichender Prozess sein: Während sich viele noch die Wunden lecken von dem Lockdown – es hat im Handwerk nicht alle getroffen, eher weniger als in anderen Branchen – bekommen Handwerker schon wieder Post. „Wir haben Sie in die Handwerksrolle eingetragen“, „wir beabsichtigen, Sie einzutragen…“ So oder ähnlich lautet der Tenor der Briefe. Ein Trick? Das Strickmuster funktioniert so: „Wir tragen Sie in die Handwerksrolle ein, Sie müssen Zwangsmitglied werden. Sie können sich ja wehren. Beweisen Sie, dass Sie nicht eintragungspflichtig sind.“

„SELBSTÄNDIG OHNE MEISTERBRIEF“
Der IFHandwerk e.V. lädt am 16.9. um 9 Uhr in Berlin zum Info-Brunch
Michael Wörle (Geschäftsführer IF Handwerk e.V.) spricht und diskutiert mit den Gästen über Handwerkskammer-Offensive – IFHandwerk e.V. lädt in Berlin zum Handwerker-Brunch weiterlesen

Lasst die Selbstständigen nicht im Stich! Mit der Lockerung kommt die Bürokratie zurück.

Die Selbstständigen geraten ins Hintertreffen. Wenn die Behörden zu gründlich sind, bleiben Selbstständige auf der Strecke.

Es gibt diese Menschen, gerade bei Handwerkern, Menschen, die bis auf die Maskenpflicht beim Einkaufen von der Pandemie tatsächlich wenig mitbekommen. Andere dagegen (wie Friseure und Messebauer) hat es voll getroffen. Der Veranstaltungstechniker Bo Azzouz schätzt, dass das Geschäftsjahr für ihn mit so gut wie keinem Umsatz in diesem Jahr zu Ende gehen wird. Bis seine Auftraggeber und deren Werbeagenturen wieder ins Laufen kommen, wird es Dezember sein. Und seine Saison ist durch den Lockdown völlig zerstört – und damit seine Firma.

So unterschiedlich sind die Verhältnisse in diesem Land. Für kleine Selbstständige kann so ein Totalausfall durch die Pandemie das Aus bedeuten, nicht nur für 50% der Kaufhäuser von Galeria Kaufhof. Der mit dem Handwerk über die Bundesarbeitsgemeinschaft BAGSV verbundene Verband VGSD hat in der wohl größten Befragung von kleinen Selbstständigen erfahren, dass 25% der Befragten an die Aufgabe ihrer Selbstständigkeit denken. Nach Information von „Spiegel-online“ hat sich die Zahl der selbstständigen Arbeitslosengeld II-Bezieher von 15.000 auf knapp 84.000 fast versechsfacht https://bit.ly/3fYIXL0

Der Flurschaden ist damit gigantisch.

Da rückt zum einen die Entschädigungspflicht nach dem Infektionsschutzgesetz in den Vordergrund. Nach Einschätzung des VGSD-Anwalts Michael Augustin kann durch die Ausgangsbeschränkungen und Allgemeinverfügungen eine Entschädigungspflicht bejaht werden. Der Schaden muss jedoch noch in diesem Monat angezeigt werden. Wenn Sie geschädigt sind, sollten Sie Ihren Schaden anzeigen. Musterbriefe werden unseren Mitgliedern hierfür kostenlos zur Verfügung gestellt. Wir schreiben diesbezüglich Sie als Mitglied einzeln an. Wer betroffen ist, sollte dieses unverzüglich anmelden. Mit dem Schreiben erhalten Sie auch das Passwort, um die Musterbriefe zu nutzen. Eile ist nötig.

Jetzt aber zur Bürokratie: Die Staatssekretärin im Bundesfinanzministerium Sarah Ryglewski (SPD) hat mit einem aus Sicht des IFHANDWERK e.V. unsensiblen und rücksichtslosen Schreiben an den Finanzausschuss des Bundestages deutlich gemacht, dass die Corona-Soforthilfen kleinlich geprüft und ggfs zurückgezahlt werden müssten. Das Schreiben liegt uns nicht vor. Nach Informationen des „Handelsblattes“ jedoch und einem von der Deutschen Handwerkszeitung zitierten Steuerberater dürfen angeblich nur bestimmte Kosten in der Liquiditätsberechnung berücksichtigt werden, mit der Sie Ihre Liquiditätslücke berechnen. Zitat: „Die Existenzsicherung inklusive der Miete erfolgt schnell und unbürokratisch über die Grundsicherung, die laufenden Kosten für die Büromiete, Pachten oder andere Dauerschuldverhältnisse über das Sofortprogramm des Bundes“. Es ist aber nach Recherchen des IFHANDWERK e.V. und der mit ihm verbundenen 24 anderen Verbände bis heute nicht wirklich zu klären, wie methodisch sauber gerechnet werden kann. Der nordrhein-westfälische Wirtschaftsminister Pinkwart macht nach Informationen des „Handelsblattes“ inzwischen Druck, die Bedingungen der Corona-Soforthilfe nachträglich auszuweiten, damit die betroffenen Selbstständigen die Zuschüsse auch zur Sicherung ihres Lebensunterhaltes einsetzen dürfen und nicht zurückzahlen müssen. Für die Staatssekretärin Ryglewski ist das jedoch Sache der Länder. Der Bund wolle für die Großzügigkeit der Länder nicht aufkommen. Damit ist es sehr wahrscheinlich, dass es mindestens 16 verschiedene Berechnungsmethoden geben wird. Das kann nicht richtig sein. IFHANDWERK-Geschäftsführer Michael Wörle: „Der Streit zwischen Bund und Ländern führt zu einer bürokratischen Schikane auf dem Rücken der von der Pandemie getroffenen Selbstständigen. Damit wird nachträglich eine bürokratische Zusatzlast geschaffen, die untragbar ist.“

Dazu kommt, dass unter der Oberfläche der Corona-Nachrichten noch ein anderer Streit in der Großen Koalition gärt: Der Streit um die Altersvorsorgepflicht für Selbstständige. Die SPD will alle Selbstständigen in die gesetzliche Rente zwingen, die Union ist dagegen. Der Gesetzentwurf wird derzeit im Ministerium von Bundesarbeitsminister Heil erarbeitet. Was auch immer noch dieses Jahr dabei heraus kommt: Eine Altersvorsorgepflicht („Zwangsrente“) würde gerade in Zeiten der Pandemie weitere Zwangsabgaben für Selbstständige auslösen. Der Zentralverband des Deutschen Handwerks ZDH, ein Gegner unserer Mitglieder, befürwortet die „Zwangsrentenzahlungen“. Grund: die in die Handwerksrolle eingetragene Handwerker kennen diese, zulassungsfreie Handwerker aber bislang nicht. Der ZDH will die Abgabepflicht für alle Selbstständige. Selbstständige, die derzeit ihre Lebensversicherung beleihen müssen (und können), würden mit einer solchen „Zwangsrente“ um ihre freie Form der Altersvorsorge gebracht werden. IFHANDWERK-Geschäftsführer Michael Wörle: „Eine Altersvorsorge ist für jeden Selbstständigen wichtig. Wir fordern allerdings flexible Lösungen, die Selbstständige in der Krise handlungsfähig hält. Das kann die gesetzliche Rentenversicherung derzeit nicht leisten.“

Die BAGSV hat in einer gemeinsamen Petition vieler Verbände einen Mahnbrief an den Bundeswirtschaftsminister Altmaier verfasst. Nach anfänglicher Freude über die schnellen Hilfen in allen Verbänden der BAGSV ist die Bewilligungspraxis inzwischen einer kritischen Haltung gewichen. VGSD-Geschäftsführer Andreas Lutz, der auch Sprecher der BAGSV ist und damit auch die Interessen unserer Mitglieder vertritt schrieb:

„Als Steuer- und Beitragszahler sind wir willkommen, in der Krise aber lässt man uns im Regen stehen, während man gegenüber der Öffentlichkeit mit den Wohltaten prahlt, die man uns hinterher kaltschnäuzig verweigert. … Wir haben sehr lange ausschließlich sachlich auf die Missstände hingewiesen – und nicht nur wir. Ich glaube, es braucht nun (leider) einen sehr lauten und deutlichen Weckruf an das Wirtschaftsministerium, damit es seine Aufgaben wahrnimmt“.

Hier gehts zum offenen Brief: https://bit.ly/3fUEhpc

Fazit: Wenn wir uns nicht wehren, werden Selbstständige zwischen den Interessen von Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften im Politikbetrieb zerrieben. Sie geben vor uns zu schützen. Aber in Wirklichkeit tun sie es nicht. Das zeigen die Beispiele, die hier beschrieben sind.